Schweiz öffnet Arbeitsmarkt für Osteuropäer
Nach dem Willen der Schweizer soll der Arbeitsmarkt der Alpenrepublik künftig auch den Arbeitnehmern aus den zehn neuen EU-Staaten geöffnet werden. Bei einem Referendum am 25. September 2005 sprachen sich 55,95 Prozent der Stimmberechtigten für ein sogenanntes Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz.
Politische Beobachter werteten den Ausgang des Referendums als Bestätigung für die schrittweise Öffnung der EU gegenüber Mittel- und Osteuropa. Mit der neuen Regelung erhalten Menschen aus den neuen EU-Ländern im Grundsatz ebenso Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt wie die Arbeitnehmer aus den alten EU-Staaten. Allerdings soll die Öffnung schrittweise erfolgen und durch soziale Maßnahmen flankiert werden. Demnach will die eidgenössische Regierung Billigarbeitsplätze und Lohndumping durch verschärfte Kontrollen gegen Schwarzarbeit und Scheinfirmen verhindern.
Angst vor Lohndumping bei Gegnern
Diese Absicherung war offenbar auch entscheidend für den Ausgang der Abstimmung - schließlich ermöglichte sie es auch den Gewerkschaften und Sozialdemokraten, der erweiterten Personenfreizügigkeit zuzustimmen. Die von der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei (SVP) unterstützten Gegner hatten argumentiert, dass Zuwanderer aus Osteuropa den Schweizern Arbeitsplätze streitig machen könnten. "Die Angst vor Lohndrückerei und Arbeitsplatzverlust war der Hauptgrund derer, die mit Nein gestimmt haben", so der Wahlforscher Claude Longchamp vom GfS-Forschungsinstitut in Bern.
Eine besondere Rolle spielte auch, dass mit dem SVP-Politiker Christoph Blocher - die bisherige Leitfigur der EU-Gegner - sich nach einigem Zögern und ohne viel Enthusiasmus letztlich für die Personenfreizügigkeit aussprach. Auch wirtschaftsorientierte Vertreter der SVP äußerten sich ihn ähnlicher Weise - womit die damit nicht mit der in Europa-Fragen üblichen Geschlossenheit auftrat. Auch die Schweizer Wirtschaft hatte sich für das Abkommen stark gemacht - sie will eine Belastung der Beziehungen zur EU vermeiden. Die EU ist der größte Arbeitsmarkt der exportabhängigen Schweizer Wirtschaft.
Die Befürworter nahmen den Ausgang des Referendums daher auch mit großer Genugtuung entgegen. Doris Leuthard, Präsidentin der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), sagte, die Bevölkerung habe die Chancen für die Wirtschaft erkannt. Hans-Jürg Fehr, Präsident der Sozialdemokratischen Partei (SP), meinte, es gebe nun den besten Lohnschutz, den die Schweiz je gekannt habe. Auch die Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände reagierten erleichtert. So könne die Schweiz nun an den Wachstumsmärkten im Osten partizipieren, sagte Rudolf Ramsauer, Direktor des Wirtschaftsverbandes economiesuisse. Lediglich die Gegner zeigten sich dementsprechend enttäuscht.
"Guillotine-Klausel"
Hintergrund der Abstimmung war eines von sieben bilateralen Abkommen, die seit 1999 zwischen der EU und der Schweiz bestehen. Mit der EU-Osterweiterung im Mai 2004 wurden sechs dieser Abkommen auch auf die neuen EU-Staaten ausgeweitet. Lediglich bei der Personenfreizügigkeit wurde zwischen der EU und der Schweiz nachverhandelt. So legte die Eidgenossenschaft - wie auch die meisten alten EU-Staaten - Zuwanderungsbeschränkungen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedern fest - mit Fristen bis zum Jahr 2011, um den heimischen Arbeitsmarkt zu schützen.
Hätten die Schweizer das Freizügigkeitsabkommen abgelehnt, hätte die EU eine sogenannte Guillotine-Klausel anwenden können, die alle bilateralen Teilabkommen miteinander verbindet. Denn im Falle eines negativen Ausgangs der Volksabstimmung hätte die Schweiz die neuen EU-Bürger benachteiligen müssen, da die Freizügigkeit bereits für die Einwohner der 15 alten EU-Staaten gilt. Damit hätte die EU das Freizügigkeitsabkommen - und damit auch alle anderen Abkommen - aufkündigen können. Die EU-Kommission hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung davor gewarnt, dass eine Ablehnung des Abkommens "Auswirkungen" auf das beiderseitige Verhältnis haben.
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