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"Wir stehen weiterhin zu unseren Ideen für eine Aktienrente"

Florian Toncar (FDP), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF). (Quelle. Bundesministerium der Finanzen / Photothek)

Seit Dezember 2021 wird Deutschland von der ersten Ampelkoalition der Geschichte regiert. Der FDP-Politiker und Rechtsanwalt Florian Toncar gilt dabei als einer der engsten Vertrauten von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). VWheute sprach exklusiv mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium über den Provisionsdeckel, Solvency-II-Reform, Regulierung von Run-off-Verkäufen und die Zukunft der Aktienrente.

VWheute: Beginnen wir mit einer kurzen Bilanz nach etwas mehr als 100 Tagen: Wie bewerten Sie die ersten 100 Tage der Ampelkoalition? In den vergangenen Monaten gab es ja nun einige Knackpunkte, bei denen es ordentlich geknirscht hat - Stichwort Infektionsschutzgesetz oder Aus für den Verbrennermotor.

Florian Toncar: Ich empfand die Zusammenarbeit in den letzten Monaten als sehr intensiv. Als wir Ende letzten Jahres den Koalitionsvertrag ausgehandelt und festgezurrt haben, haben wir nicht erahnen können, wie die Rahmenbedingungen sich in den ersten Monaten der Legislaturperiode so gravierend verändern würden: Krieg, Energieknappheit, Inflation. Und was Sie vielleicht als "Knirschen" werten, sehe ich als Ausdruck eines demokratischen Dialogs zwischen drei Partnern unterschiedlicher Couleur. Wir sind ein freies Land, da darf jeder Ideen äußern.

VWheute: Der Ukraine-Krieg hält die Welt weiterhin in Atem. Was kann die Regierung tun?

Florian Toncar: Wichtig ist, dass wir uns gemeinsam diesen gewaltigen Herausforderungen stellen. Zusammen mit unseren internationalen Partnern stehen wir an der Seite der Ukraine. Die G7-Finanzminister und -Notenbankchefs haben sich während des Treffens im Mai in Petersberg darauf geeinigt, der Ukraine umfangreiche finanzielle Hilfen in Milliardenhöhe zur Verfügung zu stellen. Nur einen Monat nach dieser Zusicherung hat Deutschland seinen Beitrag in Höhe von einer Milliarde Euro ausgezahlt.

VWheute: Und im Land?

Florian Toncar: Und zu Hause lassen wir unsere Bürgerinnen und Bürger, Selbstständige und Unternehmen mit den Folgen des Krieges und den stark steigenden Energiepreisen nicht allein. Dank der Maßnahmen mit einem Volumen von mehr als 30 Milliarden Euro, die wir im ersten Halbjahr bereits getroffen haben, federn wir Härten gezielt ab und entlasten spürbar.

Mit dem Nachtragshaushalt 2022 haben wir eine Haushaltskonsolidierung eingeleitet. Mit dem Sondervermögen Bundeswehr haben wir historische Investitionsmittel in die Landes- und Bündnisverteidigung organisiert. Und mit dem neulichen Kabinettbeschluss des Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2023 und den Finanzplan bis 2026 haben wir eine finanzpolitische Zeitenwende begonnen und kehren zu stabilitätsorientierter Finanzpolitik zurück. 

Der Regierungsentwurf hält nach drei Jahren der Ausnahmesituation wieder die Regelgrenze der Schuldenbremse ein. Wir haben einen Haushaltsentwurf vorgelegt, mit dem wir weiterhin auf Rekordniveau Zukunftsinvestitionen sicherstellen können. Ich bin zuversichtlich, dass uns noch sehr viel mehr gelingen wird.

VWheute: Wie wird der Finanzplatz D an Attraktivität gewinnen?

Florian Toncar: Wir werden unser Land moderner, digitaler und nachhaltiger machen. Wir haben zuletzt Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgelegt. Unser Ziel ist es, den Kapitalmarkt noch leistungsfähiger aufzustellen und den deutschen Finanzstandort attraktiver zu gestalten. Durch verschiedene steuerrechtliche, kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Maßnahmen soll die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen verbessert werden und der Kapitalmarktzugang für Unternehmen, insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMUs erleichtert werden.

VWheute: Laut Bundesfinanzminister Christian Lindner will der Bund 2023 nach drei Jahren Corona-Pandemie wieder zur Schuldenbremse zurückkehren. Wie wollen Sie dieses Ziel konkret erreichen?

Florian Toncar: Die Krise und der Krieg in der Ukraine haben die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen massiv verändert. Der resultierende Preisdruck belastet die wirtschaftliche Entwicklung. Das bedeutet neben der sicherheitspolitischen Herausforderung auch eine Zeitenwende für die Wirtschafts- und Finanzpolitik. 

Wir erleben Lieferkettenprobleme, Produktionsengpässe und Preissteigerungen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wachstumsprognosen wurden in den vergangenen Monaten spürbar nach unten korrigiert, die Inflationsprognosen dagegen immer weiter nach oben. In diesem Umfeld besteht zunehmend das Risiko einer Stagflation. Damit einher geht eine Stagnation - oder schlimmer noch - ein Verlust an Innovationskräften.

Die oberste wirtschafts- und finanzpolitische Priorität ist es derzeit, die Inflation zu bekämpfen und damit die Wirtschaft zu stärken. Die Bekämpfung der Inflation liegt in erster Linie im Mandat der Europäischen Zentralbank. Aber als Staat müssen wir sicherstellen, dass wir die Inflation nicht anheizen. Dafür muss der Staat die Politik auf Pump beenden. Im kommenden Jahr wollen wir deshalb mit der Rückkehr zur Einhaltung der Regelgrenze der Schuldenbremse den finanzpolitischen Ausnahmezustand beenden. Wir können nicht uferlos Schulden machen oder die Steuern erhöhen! Das schreibt uns im Übrigen auch unsere Verfassung vor. Es ist unbedingtes Gebot, solide Staatsfinanzen zu erreichen. Sie sind Voraussetzung, um mögliche künftige Krisen abfedern zu können.

Wir halten die Schuldenbremse ein, indem wir weniger ausgeben. Zum Beispiel werden die kriegs- und krisenbedingten Ausgaben im nächsten Jahr reduziert. Und wir wollen die wirtschaftlichen Wachstumskräfte anreizen, indem wir Bürokratie abbauen, Planungsverfahren beschleunigen, mehr Fachkräfte ins Land holen, Freihandelsabkommen wie jetzt Ceta zwischen der EU und Kanada forcieren. Das bringt viel und kostet nichts.

VWheute: Gleichzeitig plant das Bundesfinanzministerium für 2023 ein Entlastungspaket für die Bundesbürger: Können Sie bereits einige Eckpunkte dazu nennen?

Florian Toncar: Wichtig und richtig ist, dass wir die Bürgerinnen und Bürger mit den Belastungen aus höheren Preisen, insbesondere im Energiebereich, nicht alleine lassen. Deshalb hat die Bundesregierung rasch reagiert und mit den Entlastungspaketen I und II gezielte Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger in Höhe von insgesamt über 30 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. Viele dieser Maßnahmen werden ihre Wirkung im zweiten Halbjahr 2022 entfalten.

Klar ist aber auch: Der Staat kann nicht alle Mehrbelastungen ausgleichen. Für 2023 wird das Bundesministerium der Finanzen faire Vorschläge vorlegen, um die Wirkungen der kalten Progression zu dämpfen. Für uns ist offenkundig, dass der Staat nicht auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler an den hohen Inflationsraten verdienen soll. Deshalb geben wir etwaige Mehreinnahmen an die Menschen zurück.

VWheute: Blicken wir auf die Finanz- und Versicherungsbranche: Wirecard gilt bislang als größter Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Fokus der Kritik steht auch die Finanzaufsicht Bafin. Was ist aus Ihrer Sicht hier schiefgelaufen und was werden Sie konkret verändern, um die Aufsicht besser und effizienter zu gestalten?

Florian Toncar: Ziel ist es, die BaFin als Lehre aus dem Wirecard-Fall zu modernisieren und eine "Aufsicht mit Biss" als schlagkräftige, differenzierte, datengetriebene und stringent geführte Behörde zu etablieren. In einem von BMF, BaFin und externen Beratern gesteuerten Projekt wurden bei der BaFin wichtige Reformen angestoßen. Es wurden neue Einheiten geschaffen wie die Fokusaufsicht, die Taskforce und die Data Intelligence Unit. 

Letztere entwickelt ein neues Tool, das Aufseher-Cockpit, mit dem Aufseher relevante Daten geschäftsbereichsübergreifend und vorausgewertet erhalten. Die BaFin arbeitet nun - auch mithilfe neuer Technologien - flexibler, stringenter, präventiver sowie geschäftsübergreifend und hat dadurch insgesamt "mehr Biss". Dies fordert auch der neue Präsident Mark Branson, der sein Amt im August 2021 angetreten hat, von der Organisation konsequent ein.

Nach Abschluss des Projekts im Dezember 2021 wird die Modernisierung nun in Verantwortung der BaFin weiter vorangetrieben. BMF wird BaFin und Präsident Branson hierbei im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht begleiten und unterstützen. Dazu hat BMF mit Präsident Branson konkrete Modernisierungsziele vereinbart, die weiterentwickelt werden und deren Einhaltung regelmäßig im Dialog mit der BaFin überprüft wird.

VWheute: Wie unterstützen Sie den Bafinchef?

Florian Toncar: Präsident Branson hat die volle Rückendeckung des BMF für den weiteren Umbau der BaFin. Denn das Projekt ist als erster Schritt einer längerfristigen Modernisierung der BaFin zu sehen, was auch die Zielsetzung des Koalitionsvertrags widerspiegelt. Die angestoßenen Veränderungen müssen weitergeführt, zum Teil vertieft bzw. in Regelprozesse überführt werden.

VWheute: Im März führte Finanzminister Lindner das Digital Finance Forum ein. Sie geben vor allem jungen Leadern eine Chance, zu Wort zu kommen. Was ist das Ziel der Meetings und wie lief es bisher?

Florian Toncar: Das Digital Finance Forum dient dem Austausch zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und der digitalen Finanzindustrie. Es bildet eine wichtige Diskussionsplattform für Themen des digitalen Finanzmarktes - insbesondere zu den Bereichen Versicherungen, Zahlungsverkehr, Retail Banking sowie Investment und Blockchain. Wir verfolgen mit dem Digital Finance Forum das Ziel, ein gemeinsames Verständnis von technologischen und marktseitigen Trends der digitalen Finanzwelt, deren Chancen und Potenziale sowie deren Risiken herzustellen. Ich halte diesen Austausch für essenziell, um Deutschland zu einem führenden FinTech-Standort in Europa und der Welt zu machen.

Das Digital Finance Forum setzt sich aus etwa 45 Mitgliedern zusammen, die sich durch ihre persönliche Expertise im Bereich digitaler Finanztechnologien auszeichnen. Mir war es ein persönliches Anliegen, dass wir bei der Auswahl der Mitglieder auf Diversität achten. Seit dem Auftakt im März 2022 laufen die fachlichen Arbeiten im Digital Finance Forum äußerst konstruktiv, insbesondere in den Expertengruppen zu den zuvor genannten Schwerpunkten. Nachdem wir zunächst den Fokus auf akute Pain Points der Industrie gelegt haben, geht es in der kommenden Zeit auch um die Entwicklung eines Zielbilds für den digitalen Finanzsektor in Deutschland.

VWheute: Wieso sind keine Traditionsversicherer dazu eingeladen worden?

Florian Toncar: Die Expertinnen und Experten wurden grundsätzlich nicht nach Institutionszugehörigkeit, sondern aufgrund ihrer persönlichen Expertise ausgewählt. Schließlich ist die Teilnahme am Digital Finance Forum auch ein personengebundenes Ehrenamt. Neben Gründerinnen und Gründern von kleineren und größeren Start-ups sind auch Expertinnen und Experten aus etablierten Versicherungen und anderen Finanzinstitutionen dabei. Wir sind davon überzeugt, dass die aktuelle Zusammensetzung ein differenziertes und ausgewogenes Meinungsbild ermöglicht.

VWheute: Wie will das BMF helfen, die etablieren Player der Assekuranz in die Zukunft zu führen? Wie eng ist der Kontakt zum GDV?

Florian Toncar: Deutschland ist ein wichtiger Versicherungsstandort mit sowohl global aufgestellten Erst- und Rückversicherern als auch mittleren und kleineren Anbietern. Dabei spielen die Versicherer nicht nur auf dem Finanzmarkt eine wichtige Rolle, sondern auch aus sozialpolitischer und realwirtschaftlicher Sicht. Die Bundesregierung setzt sich für zeitgemäße regulatorische Rahmenbedingungen ein, die es den Versicherern ermöglichen, ihre wichtige Rolle auch in Zukunft gut auszufüllen. Attraktive Produkte, die einen echten Mehrwert für die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer und Kunden bringen, müssen allerdings aus dem Markt kommen. Selbstverständlich stehen wir auch mit der Branche in gutem Dialog.

VWheute: Regulierung gilt ja für die Branche - insbesondere die Versicherer - als großer Hemmschuh, der immer wieder Anlass zur Kritik gibt. Die FDP setzt hingegen bekanntlich auf weniger Staat und mehr Flexibilität. Haben Sie das Wehklagen der Branche erhört? Wie definieren Sie eine zeitgemäße Regulierung für die Versicherer?

Florian Toncar: Wichtiges Ziel der Finanzmarktregulierung ist es, Stabilität und Integrität des Finanzsystems zu wahren und - im Fall der Versicherungsregulierung - Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer zu schützen. Deshalb setzen wir uns im Rahmen der aktuellen Überprüfung von Solvency II für evidenzbasierte und risikoorientierte Kapitalanforderungen ein. Gleichzeitig - und das möchte ich ausdrücklich betonen - muss zeitgemäße Regulierung auch verhältnismäßig und nicht überschießend sein. Auch hier setzen wir uns für Verbesserungen von Solvency II ein. So haben wir es im Übrigen auch im Koalitionsvertrag festgelegt.

VWheute: Stichwort Solvency II: "Die europäische Versicherungsaufsicht Solvency II muss weiter entschlackt werden. Einfachere Regeln verringern die Komplexität und die Kosten. Versicherer und Aufsicht können sich auf wirklich relevante Risiken konzentrieren, langfristige Investitionen werden erleichtert", forderte der GDV bereits 2021. Welchen Reformbedarf sehen Sie bei Solvency II und inwieweit können Sie die Kritik der Branche nachvollziehen?

Florian Toncar: Insgesamt hat sich Solvency II seit der Einführung in 2016 bewährt und einen wichtigen Beitrag zur Resilienz des europäischen Versicherungsmarkts geleistet. An einigen Stellen wollen wir den Regulierungsrahmen allerdings dennoch weiterentwickeln. Dies betrifft unter anderem den Umgang mit niedrigen Zinsen und Klimarisiken, aber auch die Behandlung von langfristigen Investitionen. Zudem wollen wir die Proportionalität der Regulierung verbessern: Beispielsweise sollen dazu sehr kleine Versicherer aus dem Anwendungsbereich von Solvency II ausgenommen werden. Zudem soll es für kleine und einfach strukturierte Versicherer regulatorische Erleichterungen geben.

VWheute: Der Provisionsdeckel in der Lebensversicherung hat in den letzten Jahren für erheblichen Widerstand gesorgt. Nun plant der Bafin-Exekutivdirektor einen sogenannten "Provisionsrichtwert". Wie bewerten Sie den Vorschlag der Bafin und halten Sie eine Provisionsdeckelung in der Versicherungsbranche für sinnvoll?

Florian Toncar: Seit dem 1. Juli 2023 gilt der gesetzliche Provisionsdeckel in der Restschuldversicherung. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Provisionspraxis in diesem Bereich aus dem Ruder gelaufen und eine Begrenzung der Provisionen erforderlich ist, um die Situation zu ordnen. In der Lebensversicherung sind die Verhältnisse anders. Provision und Beitrag stehen dort im Durchschnitt in einem vernünftigeren Verhältnis, als dies in der Restschuldversicherung der Fall war. 

Natürlich muss man auch bei den einzelnen Lebensversicherern auf die Vertriebsvergütungen schauen. Die Unternehmen müssen bei den Vergütungssystemen spezielle gesetzliche Anforderungen beachten. Die Vermeidung von Fehlanreizen ist dabei ein wichtiger Aspekt. Die BaFin wird Vorschläge machen, um die gesetzlichen Anforderungen zu konkretisieren und mit Leben zu füllen.

Auf Grundlage dieser Vorschläge kann das Thema dann diskutiert werden. Diese Gelegenheit sollten die Betroffenen nutzen und sich aktiv an der Diskussion beteiligen. Ein Provisionsdeckel steht nicht zur Debatte. Die gesetzlichen Anforderungen an Vergütungssysteme ermöglichen es der Aufsicht auch nicht, anstelle des Gesetzgebers einen Provisionsdeckel festzulegen oder eine großflächige Preisregulierung vorzunehmen.

VWheute: Neben dem Provisionsdeckel treibt die Lebensversicherer seit Jahren auch der Niedrigzins um, sodass viele große Anbieter ihre Altbestände an Run-off-Gesellschaften verkaufen, zuletzt die Zurich an Viridium. Bei den Kunden weckt das Misstrauen. Sollte man Run-off-Verkäufe stärker regulieren oder gehört das einfach zum freien Markt dazu?

Florian Toncar: Run-off-Verkäufe müssen ein Inhaberkontrollverfahren bei der Aufsicht durchlaufen. Hauptziel der Aufsicht ist der Schutz der Versicherten. Die BaFin nimmt diesen Auftrag sehr ernst und legt einen strengen Maßstab an. Das haben die bisherigen Fälle von Run-off-Verkäufen gezeigt, bei denen die BaFin - falls erforderlich - zusätzliche Anforderungen gestellt hat, beispielsweise einen finanziellen Beitrag des Investors oder der Muttergesellschaft des Lebensversicherers. Das bestehende aufsichtsrechtliche Instrumentarium für den Umgang mit Run-off-Verkäufen hat sich bewährt.

Auch nach dem Verkauf müssen die betreffenden Lebensversicherer die Verpflichtungen aus den Verträgen erfüllen und unterliegen der Aufsicht. Was man nicht vergessen darf: Hinter den Verträgen stehen Menschen. Für die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer ist der Verkauf an eine Run-off-Gesellschaft eine ungewohnte Situation. Daran sollten der Lebensversicherer und die Run-off-Gesellschaft denken und alles tun, um die Versicherten gut zu begleiten. Bei ihren unternehmerischen und organisatorischen Entscheidungen sollten sie mögliche Reputationsrisiken im Blick behalten.

VWheute: In der privaten Altersvorsorge gilt die Riester-Rente mittlerweile als gescheitert. Der Bund der Versicherten bezeichnete sie jüngst als "müffelnden Ladenhüter" und fordert eine Stärkung der gesetzlichen Rente. Die Versicherer sehen hingegen Reformbedarf und wollen an Riester festhalten. Was sind Ihre Pläne?

Florian Toncar: Die Weiterentwicklung der (geförderten) kapitalgedeckten Altersvorsorge ist unumgänglich. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, strebt die Bundesregierung eine grundlegende Reform des bisherigen Systems der privaten Altersvorsorge an. Es sind hierzu zwei Prüfaufträge verankert. Zum einen für einen öffentlich verantworten Fonds, der ein kostengünstiges und effektives Angebot unterbreitet und abgewählt werden kann. Zum anderen sollen private Produkte geprüft werden, die eine höhere Rendite als bisher ermöglichen. Zur konkreten Ausgestaltung der Prüfung laufen derzeit die Überlegungen an. Für laufende Riester-Verträge besteht Bestandsschutz.

VWheute: Plädieren Sie noch immer für eine Aktienrente? Angesichts der Turbulenzen an den Börsen scheint diese nicht so gut vermittelbar zu sein.

Florian Toncar: Wir stehen weiterhin zu unseren Ideen für eine Aktienrente. Sie kann dazu beitragen, dass die gesetzliche Rentenversicherung angesichts des demografischen Wandels zukunftsfest wird. Sie kann zwar nicht alle bestehenden Probleme lösen, aber zumindest einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Umlageverfahrens leisten. Geplant ist eine langfristige und kontinuierliche Kapitalanlage, um volatile Kapitalmarktentwicklungen, die vor allem bei kurzfristigen Anlagehorizonten ein Risiko darstellen, ausgleichen zu können. Hierzu kann außerdem eine global diversifizierte Anlagestrategie beitragen. Untersuchungen zeigen, dass die Verlustrisiken bei einer mindestens 15-jährigen Kapitalanlage unabhängig vom Startzeitpunkt der Anlage statistisch gesehen sehr gering sind.

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