Berlusconi: "La bella figura"?
Er demontierte die Justiz, machte sich die Medien untertan und ließ sich vom Parlament Gesetze nach Bedarf schneidern. Er war der reichste Mann des Landes, Medienzar und italienischer Regierungschef in Personalunion - Silvio Berlusconi.
An Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht. "Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa, nicht in der Welt“, sagte Berlusconi kurz vor den Parlamentswahlen im Mai 2001. Eines geht dem Ministerpräsidenten von Italien jedoch über alles: die sprichwörtliche "bella figura" - also immer eine gute Figur zu machen. Ein Bestreben, was ihm angesichts seine zahlreichen Fehltritte und der anhaltenden Kritik jedoch kaum gelingen mag.
Berlusconi galt als Verkörperung des italienischen Traumes - eines Selfmade-Milliardärs. Am 29. September 1936 wird er in einem kleinbürgerlichen Viertel Mailands als Sohn eines Bankangestellten und einer Hausfrau geboren. Sein Vater - Luigi Berlusconi - zeigt seinem Sohnemann, was Strebsamkeit und Sparsamkeit bewirken können. Im Laufe seines Arbeitslebens brachte er es immerhin zum Präsidenten der Banca Rasini. Wenn ein Mitarbeiter einen neuen Bleistift verlangte, habe sich Vater Berlusconi immer erst den Stummelrest des alten Stiftes zur Kontrolle vorlegen lassen.
Vom Staubsaugervertreter zum Milliardär
Sohn Silvio studiert zunächst Rechtswissenschaften in Mailand. Sein Studium finanziert er sich als Staubsaugervertreter, singender Conférencier auf Musikdampfern und schließlich in einer Baufirma. Dort boxt er sich immerhin bis zum Geschäftsführer durch. 1961 macht sich Berlusconi mit der Holding "Cantieri Riunati Milanesi" selbständig und schafft es, einen der größten Konzerne Italiens aufzubauen. Einen Namen macht er sich als Investor zukunftsweisender Geschäfts- und Wohnkomplexe in Mailand. Die Finanzierung solcher Projekte liegt jedoch bis heute im Dunkeln.
Der endgültige Aufstieg Berlusconis zum Milliardär begann jedoch mit der Gründung seiner Finanzgesellschaft Fininvest in den siebziger Jahren. Gleichzeitig stieg Berlusconi auch ins Mediengeschäft ein. In den achtziger Jahren gelang es ihm, das Monopol des Staatsfernsehens RAI zu brechen. Heute gehört zu Berlusconis Fininvest auch das Medienunternehmen Mediaset mit den drei wichtigsten privaten TV-Kanälen des Landes. Insgesamt arbeiteten etwa 27.000 Menschen für den Medienmogul. "Was der Mann anfasst, wird zu Gold", erkannten selbst seine härtesten Kritiker an.
Schließlich kontrollierte der Unternehmer ein gigantisches Imperium von 150 Firmen sowie Bank- und Versicherungsbeteiligungen mit einem Jahresumsatz von etwa vier bis fünf Milliarden Euro. Daneben gehörten ihm - ganz oder in Teilen - Radio- und Fernsehsender, Vertriebsgesellschaften für Filme, Fernsehfilme und Videos, Produktions- und Verleihfirmen, eine Kinokette mit über 200 Sälen. Außerdem gehören ihm mit "Publitalia" die größte Werbeagentur des Landes und mit "Mondadori" das umsatzstärkste Verlagshaus Italiens. Dieses publiziert unter anderem auch das meistverkaufte Nachrichtenmagazin Panorama.
Zudem gehörte Berlusconi auch der Fußballklub AC Mailand. Das geschätzte Vermögen des Unternehmers lag zwischen sechs und zehn Milliarden Euro. Sein versteuertes Jahreseinkommen im Jahre 2001: etwa elf Millionen Euro. Im Laufe der Jahre verteilte Berlusconi jedoch seine Firmen geschickt auf die Mitglieder seiner Familie, um dem "Konflikt der Interessen" zwischen Geschäft und Politik auszuweichen. Um jedoch ganz sicher zu sein, paukte er einen Gesetzesentwurf durch, wonach der Besitz eines Unternehmens nicht als zwingender Grund für einen Interessenkonflikt mit dem Amt eines Politikers angesehen wird.
Umstrittener Politiker
Auch in der Politik bestimmte Berlusconi schließlich, wo es lang geht. Bereits 1994 wurde er erstmals zum Ministerpräsidenten von Italien ernannt. Seine Amtszeit währte jedoch nur 226 Tage - der Grund: andauernde Kontroversen innerhalb seiner Regierungskoalition. In der Folgezeit agierte Berlusconi - eher glücklos - als Oppositionsführer und war im rechts-konservativen Lager durchaus umstritten. Seine politische Stellung wurde oft durch Ermittlungen und Prozesse der Staatsanwaltschaft angegriffen, aber nie nachhaltig erschüttert. Zu den Vorwürfen gehörten Meineid, Steuerhinterziehung, Bestechung, illegale Parteienfinanzierung, Bilanzfälschung und Mafiakontakte.
Immerhin wurde ihm die Mitgliedschaft in der berüchtigten Geheimloge P2 nachgesagt. Zudem stand er auch immer dem früheren Sozialistenchef und ehemaligen Ministerpräsidenten Bettino Craxi nahe. Dieser wurde jedoch in Abwesenheit wegen Korruption rechtskräftig verurteilt.
"Umbau" des Staates
Nach 2001 bestimmte Berlusconi als Regierungschef wieder die Geschicke Italiens. Und dies nutzt er konsequent aus, um die Republik nach seinen Bedürfnissen umzubauen. Von Gewaltenteilung - der Grundlage einer pluralistischen Demokratie - kann bald keine Rede mehr sein. Seine Partei "Forza Italia" ("Vorwärts Italien") - einem Schlachtruf zum Anfeuern der italienischen Fußball-Nationalmannschaft - gehorchte ihm aufs Wort. Mit im Boot seiner ersten Regierungskoalition waren die rechtskonservative "Allianza Nationale" (AN) um Gianfranco Fini - hervorgegangen aus dem neofaschistischen "Movimento Sociale Italiano" - sowie die separatistische Lega Nord des Rechtspopulisten Umberto Bossi.
Kaum im Amt, räumte Berlusconi zunächst mit dem Staatsfernsehen RAI auf. Kritische Redakteure wurden verjagt, weil sie "kriminellen Gebrauch“ von ihren medialen Möglichkeiten gemacht hätten. Die Kritik- und Kontrollfunktion - zumindest der elektronischen Medien – ist weitgehend ausgehebelt. Etwas 90 Prozent der Fernsehzuschauer sehen Programme, die direkt oder indirekt Berlusconis Einfluss unterstehen.
Gesetze "im Sinne Berlusconis"
Auch das EU-Parlament und der Europarat kritisierten bereits den Interessenkonflikt zwischen Politik, Medien und Wirtschaft. Doch Berlusconi schien dies - bislang zumindest nicht sonderlich zu kümmern. So verabschiedete das Abgeordnetenhaus erst dieser Tage ein "Gesetz über den Interessenkonflikt". Dies ermöglichte jedem Regierungsmitglied, ein Unternehmen zu besitzen, nicht jedoch im Management mitzuarbeiten. Nach diesem Gesetz durfte Berlusconi auch seine drei Privatsender behalten.
Ein weiteres Mediengesetz - bereits vom Senat verabschiedet - ermöglicht es dem Regierungschef zudem, seine Sender zu konsolidieren und auszubauen. Außerdem durften Privatsender künftig mehr Werbung senden. Außerdem ermöglichte das neue Mediengesetz auch eine Teilprivatisierung des bisherigen Staatsfernsehens RAI.
Berlusconi selbst schien Kritik an seinem Vorgehen nichts anzuhaben. Er boxte weiterhin ein Gesetz nach dem anderen durch, dass ganz seinen Interessen und Aktivitäten förderlich war. Insgesamt 30 Gesetze "ad personam" entstanden in den 16 Jahren seiner politischen Tätigkeit. Insgesamt vier mal wurde Berlusconi zum Ministerpräsidenten von Italien ernannt. Rund zehn Jahre prägte er als Regierungschef die Geschicke des Landes - so lange wie kein anderer Politiker in Italien seit Kriegsende.
"Alle müssen anerkennen, dass sein Einfluss auf das politische Leben, aber auch das wirtschaftliche, auf den Sport und auf das Fernsehen beispiellos waren."
Matteo Renzi, Ministerpräsident von Italien (2014-2016)
Vom "nützlichen Idioten" bis hin zum "Kapo"
Allerdings sorgte Berlusconi nicht nur mit seinen umstrittenen Gesetzen und seinem Klinsch mit der Justiz für Aufsehen. Mit seinen andauernden Entgleisungen sorgt der "Cavaliere" immer wieder für Empörung. Der vorläufige Höhepunkt kam schließlich im Jahr 2003, als er den Sozialdemokraten Martin Schulz im Europaparlament für die Filmrolle eines KZ-Aufsehers empfahl.
Mit diesem Eklat hat sich Berlusconi selbst einen derartigen Schaden zugefügt, der auch in der italienischen Öffentlichkeit verheerend war. Zwar versuchten die von ihm kontrollierten Medien krampfhaft, den Regierungschef als Opfer einer gegen ganz Italien gerichteten Provokation darzustellen - doch ganz konnten sie seine Worte nicht aus der Welt schaffen.
Die innenpolitische Opposition ging zwar ebenfalls mit Berlusconi scharf ins Gericht und sah sogar die EU-Ratspräsidentschaft in Gefahr. Allerdings forderten lediglich die Grünen den Rücktritt des Ministerpräsidenten. Wirklich politisch schaden konnten ihm seine verbalten Entgleisungen nicht.
Mehrere Gerichtsverfahren
Für mediales Aufsehen sorgte Berlusconi allerdings auch mit seinem wiederholten juristischen Ärger. Insgesamt 30 Verfahren wurden gegen in geführt - am Ende stand allerdings nur eine rechtskräftige Verurteilung. Am Ende profitierte der "Cavalliere" von guten Anwälten, den maßgeschneiderten Gesetzen zu seinen Gunsten - und mangelnden Beweisen.
In der internationalen Wahrnehmung sorgten dabei vor allem die Verfahren zu erotischen Festen für Aufsehen - den sogenannten "Bunga-Bunga-Partys". Juristische Folgen hatten diese Prozesse für Berlusconi aber kaum. So wurde er zwar im Zuge der Ruby-Affäre im Jahr 2011 des Amtsmissbrauch und der Förderung der Prostitution Minderjähriger angeklagt. Zwei Jahre später wurde er zwar erstinstanzlich zu sieben Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt - einhergehend mit einem lebenslangen Verbot öffentliche Ämter zu bekleiden.
Im Juli 2014 endete der Berufungsprozess gegen Berlusconi mit einem Freispruch: Nach Ansicht des Gerichts sei es zwar in seinem Haus zu Prostitution gekommen. Allerdings könne nicht sicher nachgewiesen werden, dass er das wahre Alter der damals minderjährigen Marokkanerin Karima el-Mahroug - bekannt als "Ruby Rubacuori" (zu deutsch: "Ruby Herzensbrecherin") gekannt habe. Zudem hätte es für den Vorwurf des Amtsmissbrauchs keine Beweise gegeben.
Berlusconi selbst wurde dabei nicht müde, die Justiz öffentlich zu beschimpfen, welche ihn aus politischen Gründen verfolge. "Die faktische Souveränität in diesem Land liegt nicht mehr beim Parlament, sondern sie gehört den linken Staatsanwälten und Richtern."
Immerhin: Im August 2013 wurde Berlusconi, der bereits 2011 vom Amt des italienischen Ministerpräsidenten zurückgetreten war, wegen Steuerbetruges rechtskräftig verurteilt. So habe er mit einem System "massivsten Steuerbetrugs" die Kosten für TV-Rechte um Hunderte Millionen Euro in die Höhe getrieben. So durfte er über fünf Jahre lang keine politischen Ämter mehr bekleiden - seine politische Immunität wurde aufgehoben. Zudem wurde er zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Aufgrund eines Gesetzes von 2006 wurden Berlusconi jedoch drei von vier Jahren aus Altergründen ausgesetzt. Der Rest schrumpfte schließlich auf ein paar Monate Sozialdienst in einem Altersheim zusammen.
Wirklich lassen konnte Berlusconi von der Politik aber nicht: Bei der Europawahl 2019 zog er für die "Forza Italia" in das Europaparlament ein. Anfang 2022 bemühte er sich allerdings erfolglos um die Kandidatur für das Amt des italienischen Staatspräsidenten. Bei den Parlamentswahlen am 25. September 2022 wurde Berlusconi erneut in den Senat gewählt. Seitdem koaliert seine Partei "Forza Italia" mit der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Am 12. Juni 2023 starb Berlusconi im Alter von 86 Jahren in Segrate an Leukämie. Er hinterlässt seine 33-jährige Lebenspartnerin Marta Fascina, zwei geschiedene Ehefrauen und fünf Kinder. Sein Nachlass wird auf rund vier Milliarden Euro geschätzt. Der ehemalige Regierungschef Matteo Renzi schrieb daraufhin auf Twitter: "Viele haben ihn geliebt, viele haben ihn gehasst". Für den früheren italienischen Ministerpräsidenten EU-Kommissar Mario Monti war Berlusconi der "Vater aller Populisten". Und Matteo Salvini, Parteisekretär der Lega Nord, nannte Berlusconi "einen großen Mann und einen großen Italiener".
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