Tobias Daniel M.A.

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Europas Wegbereiter: Von Bonn nach Rom

Gründerväter der Europäischen Union

Zu den Gründervätern der EU gehört eine Gruppe von politischen Persönlichkeiten, welche zu den Vordenkern der europäischen Integration zählen und die Geschichte Europas maßgeblich geprägt haben. Dazu zählen neben dem deutschen Politiker Konrad Adenauer und dem britischen Staatsmann Winston Churchill auch der luxemburgische Staatsmann Joseph Bech, der niederländische Bankier, Politiker und Diplomat Johan Willem Beyen, die italienischen Politiker Alcide De Gasperi und Altiero Spinelli, der französische Unternehmer Jean Monnet, der französische Staatsmann Robert Schuman, der belgische Staatsmann und Politiker Paul-Henri Spaak sowie der deutsche Jurist und Politiker Walter Hallstein.

Bei den Ehrenbürgern Europas handelt es sich um eine Auszeichnung, welche von den europäischen Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat für besondere Verdienste um die Gestaltung, Zusammenarbeit und Erweiterung der Europäischen Union verliehen wird. Bislang wurden mit Jean Monnet, dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl und dem ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors drei Personen mit diesem Titel geehrt.

Kurzinfo: Internationaler Karlspreis

Seit 1950 wird der "Internationale Karlspreis zu Aachen" alljährlich am Himmelfahrtstag für die beste Leistung im Dienst der Verständigung und der internationalen Zusammenarbeit in Europa verliehen. Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer Medaille, die an einem Band in den Aachener Stadtfarben schwarz-gelb getragen wird. Zudem ist er mit 5.000 Euro dotiert. Nach dem Willen der Stifter kann der Preis nur in Aachen überreicht werden. Der erstmals an den Papst verliehene außerordentliche Karlspreis soll eine Ausnahme bleiben. Seit dem Jahr 2008 wird auch der Europäische Karlspreis für die Jugend verliehen.

Benannt ist die Auszeichnung nach Kaiser Karl dem Großen (768-814), der vielen als Vorbild der europäischen Einigung und Begründer der kulturellen Blüte des "alten" Europa gilt. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem die Politiker Konrad Adenauer, Winston Churchill, Robert Schuman, König Juan Carlos I. von Spanien und Bill Clinton. 1986 wurde mit dem Volk von Luxemburg ein eher ungewöhnlicher Preisträger auserkoren, ebenso 2002 mit dem Euro. 2023 wurden der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie das Volk der Ukraine mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Im Jahr 2024 wird Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner (CER) und die jüdischen Gemeinschaften in Europa mit dem Preis ausgezeichnet.

Deutschland (Quelle: Bild von Miguel Á. Padriñán auf Pixabay)

Vater der deutschen Westintegration

"Fallen ist weder gefährlich noch eine Schande. Aber Liegenbleiben ist beides." Nach dieser zeitlebens beherzigten Devise begann der Aufstieg eines Politikers in einem Alter, in dem Karrieren in der Regel enden. Eines ist jedenfalls unumstritten: mit keinem anderen Mann ist die deutsche Nachkriegszeit so eng verknüpft wie mit Konrad Adenauer.

Während seiner Amtszeit trug der erste Bundeskanzler Deutschlands entscheidend dazu bei, dass die Bundesrepublik ihre Souveränität wiedererlangte und sich mit Frankreich aussöhnte. Gleichzeitig trug er - gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard - maßgeblich zum Aufbau der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland bei. Zugleich sorgte Adenauer dafür, dass die Bundesrepublik dauerhaft im westlichen Wirtschafts- und Verteidigungsbündnis verankert wurde. 

Im Blockdenken der Zeit verhaftet stellte der Kanzler jedoch auch ungewollt die Weichen für die jahrzehntelange Teilung Deutschlands. Im Gegenzug jedoch setzte Adenauer alles daran, den Aufbau Europas unablässig voranzutreiben. Damit sollte sich nicht nur die neu gegründete Bundesrepublik politisch wie wirtschaftlich beruhigen und gesunden. Die wirtschaftliche Verflechtung sollte auch das Sicherheitsbedürfnis der europäischen Staaten befriedigen.

Beginn der politische Karriere in Köln

Adenauer wurde am 5. Januar 1876 als Sohn eines Beamten in Köln geboren. Gemeinsam mit drei Geschwistern wuchs er eher bescheidenen Verhältnissen auf. Als Schüler des humanistischen Apostelgymnasiums genoss Adenauer den Ruf, "guter unauffälliger Durchschnitt" zu sein. Auch sein Jurastudium absolvierte er ohne besonderen Glanz, bis er schließlich die Politik als Betätigungsfeld seiner Ambitionen entdeckte. Dass ihn dabei seine Herkunft und Erziehung als rheinische Katholik zum Zentrum - der Partei des politischen Katholizismus - führte, ist beinahe schon selbstverständlich.

Seine politische Laufbahn begann Adenauer mit der Heirat von Emma Weyer, der Tochter einer angesehenen und wohlhabenden Kölner Familie. Über diese kam er schließlich in Verbindung mit dem gesellschaftlich und politisch tonangebenden rheinischen Bürgertum. 1906 wurde Adenauer Erster Beigeordneter der Stadt Köln und damit Stellvertreter des Oberbürgermeisters. 1917 wurde er selbst einstimmig in dieses Amt gewählt. Damit war der Kölner das jüngste Stadtoberhaupt in Preußen.

Bedeutende Persönlichkeit in der Weimarer Republik

In der Weimarer Republik war Adenauer eine der stärksten politischen Persönlichkeiten. So machte er sich zunächst durch den Ausbau Kölns als "Metropole des Westens" einen Namen, was ihm jedoch durchaus auch Kritik einbrachte. Als "Großkotz" geschmäht und "einer der großen Diktatoren unserer Zeit" ironisiert, verhalf Adenauer seiner Geburtsstadt mit Bauten, Messen, Ausstellungen, der Anlage des Grüngürtels und der Gründung der Universität in den Rang einer "heimlichen Hauptstadt". Als solche wurde Köln bald zum Gegengewicht des verhassten Berlin.

Als Präsident des Preußischen Staatsrates gelang Adenauer zudem zwischen 1921 und 1933 auch zu überregionalem Einfluss. Wiederholt wurde er während der Regierungskrisen in der Weimarer Zeit auch als Kandidat für das Amt des deutschen Reichskanzlers gehandelt. Seine republikanische Einstellung, die sich mit föderalistischen und christlich-sozialen Grundüberzeugungen verband, machte den Kölner Oberbürgermeister jedoch auch bei manchem Gegner des Weimarer "Systems" verhasst. Zudem geriet Adenauer auch immer wieder in die Nähe jener separatistischen Strömungen, die ein selbständiges Rheinland - eine "Westdeutsche Republik" - anstrebten.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 endete abrupt Adenauers Karriere als Lokalpolitiker. Aus seiner Heimatstadt Köln verbannt überlebte er die Jahre des Nazi-Terrors mit seiner Familie in seinem Haus in Rhöndorf.

Erster Kanzler der Bundesrepublik

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde Adenauer erneut zum Oberbürgermeister der Stadt Köln berufen. Nach wenigen Monaten wurde er von der britischen Militärregierung wieder entlassen, nachdem er ihre Besatzungspolitik kritisiert hatte. Kaum war das gleichzeitig ergangene Verbot der politischen Betätigung wieder aufgehoben, konzentrierte sich der nunmehr 70-jährige Politiker auf seine Arbeit in der neu gegründeten CDU. Mit seinen politischen Konzeptionen und Programmideen sowie seinen politischen Erfahrungen aus der Weimarer und NS-Zeit machte Adenauer eine parteipolitische "Blitzkarriere".

Sein Aufstieg zum charismatischen Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland und geachteten Staatsmann in der westlichen Welt ist zudem auch mit dem beginnenden Ost-West-Gegensatz und dem Beginn des Kalten Krieges zusammen. Als Präsident des 1948 geschaffenen Parlamentarischen Rates wurde Adenauer gegenüber den Ministerpräsidenten der Länder und gegenüber den Militärgouverneuren zum "Sprecher der werdenden Bundesrepublik", so der spätere Bundespräsident Theodor Heuss. Am 15. September 1949 wurde Adenauer schließlich mit einer Stimme Mehrheit - nämlich seiner eigenen - zum ersten Bundeskanzler der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland gewählt.

Die "Ära Adenauer"

In den folgenden 14 Jahren seiner Amtszeit verkörperte er einen Politikertyp, wie er der Mentalität eines in der Substanz schwerversehrten Landes entsprach. Allerdings war Adenauer - konträr zu seinem großen Gegenspieler Kurt Schumacher - kein dynamischer Visionär. Seine oberste politische Zielsetzung war von Anfang an die möglichst feste Einbindung der Bundesrepublik in ein westliches Bündnis mit den USA als starker Partner und Beschützer und Frankreich als Nachbarn und Freund. Diese Politik hatte jedoch auch ihren von Adenauer bereitwillig gezahlten Preis: eine Wiedervereinigung mit der DDR wurde allen Beteuerungen zum Trotz über Jahrzehnte hinweg zur Utopie.

"Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands. Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit!"

Konrad Adenauer (CDU), Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1949-1961)

Die Souveränität der Bundesrepublik, die Aussöhnung mit Frankreich, die europäische Einigung und der Aufstieg Deutschlands zur wirtschaftlichen Großmacht verhalfen Adenauer zu einer hohen Popularität. Ein besonderer historischer Schritt gelang Konrad Adenauer mit dem Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag von 1963 - der Grundstein des deutsch-französischen Motors für Europa.

Nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers 1963 wurde Adenauer jedoch kaum noch als politische Kraft wahrgenommen. Als er am 19. April 1967 im Alter von 91 Jahren starb, wurde er weltweit als Staatsmann geehrt, dem die Deutschen Freiheit und Wohlstand verdankten.

Kurzinfo: Bundeskanzler von Deutschland

Der deutsche Bundeskanzler ist gemäß der Verfassung der mächtigste Amtsträger in der Bundesrepublik, obwohl er in der protokollarischen Rangordnung Deutschlands erst an dritter Stelle steht. Als Regierungschef bestimmt er die Richtlinien der deutschen Politik und schlägt zudem gemäß Artikel 64 GG die einzelnen Bundesminister vor. Der Bundeskanzler wird vom Deutschen Bundestag für vier Jahre gewählt. Vor Ablauf der Amtsperiode kann er nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgelöst werden. 

Gemäß Artikel 65 des Grundgesetzes besitzt der Bundeskanzler die Richtlinienkompetenz. Gleichzeitig gelten das Ressortprinzip und das Kollegialprinzip: Demnach leiten die Bundesminister ihre Ministerien in eigener Verantwortung; Meinungsverschiedenheiten werden zudem im Gremium geklärt. Außerdem übernimmt der Bundeskanzler im Verteidigungsfall die Befehls- und Kommandogewalt.

Großbritannien (Quelle: Bild von Miguel Á. Padriñán auf Pixabay)

Kriegspremier und Vordenker Europas

Er war Premierminister Großbritanniens während des Zweitens Weltkrieges und Vordenker der Vereinigten Staaten von Europa. Doch auch als Schriftsteller und Historiker machte sich Sir Winston Churchill international einen Namen. Mit seiner Vision der "Vereinigten Staaten von Europa" schuf er zudem einen Grundgedanken für die Integration Europas.

Churchill entstammte der Adelsfamilie der Herzöge von Marlborough. Von entscheidender Bedeutung für sein Leben war nicht nur das Verhältnis zu seinem Vater, dem konservativen britischen Politiker Randolph Churchill. Auch die Erziehung im Internat Harrow und in der Kadettenakademie Sandhurst waren einschneidende Erlebnisse in Churchills Jugend. So genoss er den Ruf eines hoffnungslosen Schulversagers, aber auch eines feurigen Husarenleutnants.

Seine Kriegserlebnisse an der Nordwestgrenze von Britisch-Indien, im Sudan sowie als Berichterstatter im Zweiten Burenkrieg (1899-1902) machten Churchill in Großbritannien bekannt. Seine Flucht aus einem burischen Kriegsgefangenenlager im südafrikanischen Pretoria machten ihn auf einen Schlag zum Draufgänger und Kriegshelden.

Politische Karriere


Im Triumphzug zog Churchill im Jahr 1900 ins Unterhaus ein. Sein Übertritt von den Konservativen zu den Liberalen brachte ihm zwar die Feindschaft der konservativen Adelsklasse ein. Doch damit begann auch seine steile Karriere als Politiker. Nachdem er 1908 zum Handels- und 1910 zum Innenminister ernannt wurde, übernahm er schließlich von 1911 bis 1915 das Amt des Marineministers. Mit bereits 37 Jahren stand Churchill damit an der Spitze der größten Flotte der damaligen Welt, die er nach seinen Plänen modernisierte. Bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg war er von der Unausweichlichkeit eines Krieges mit Deutschlands überzeugt.

 "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."

Winston Churchill, Premierminister von Großbritannien (1940-1945 und 1951-1955)

Nach einem kurzen Zwischenspiel als Frontoffizier in Frankreich wurde Churchill 1917 erneut Mitglied des Kabinetts - zunächst als Rüstungs-, später als Kriegs- und Kolonialminister. 1924 kehrte er jedoch wieder zu den Konservativen zurück und saß für diese als mächtiger Schatzkanzler auf der Regierungsbank. Weil er jedoch ein rigoroses Vorgehen gegen die Unabhängigkeitsbewegung Gandhis in Indien forderte, überwarf sich Churchill erneut mit seiner Partei.

Kriegspremier Großbritanniens

Zehn Jahre lang blieb er zur Tatenlosigkeit verdammt, während er von den alten Feinden verfemt zum Einzelgänger geworden war. Dennoch wurde Churchill zu einem unbeugsamen Kritiker der britischen Appeasement-Politik gegenüber Hitler in den dreißiger Jahren. Als dieser jedoch 1939 den Kriegsfunken in Europa entzündete, wurde der Politiker Churchill rehabilitiert und als Marineminister ins Kabinett zurückgeholt. Am 10. Mai 1940 übernahm er schließlich das Amt des britischen Premierministers - sein Ziel: ein Sieg um jeden Preis. Sein unerbittlicher Kampfeswille und seine Siegeszuversicht machten Churchill zwar bei den Briten sehr beliebt. Allerdings wurde ihm von seinen Kritikern - oftmals zurecht - vorgeworfen, dass er über die Kriegsführung die Probleme der Nachkriegsregelung vernachlässigte.

Im Juli 1945 - in der Stunde des militärischen Triumphs über NS-Deutschland - wurde seine Regierung jedoch abgewählt. Viele Briten misstrauten dem Kriegspremier, die sozialen Probleme nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1939-1945)  zu lösen. Als konservativer Oppositionspolitiker lieferte Churchill jedoch wesentliche Denkanstöße zur Gründung des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses und des Europagedankens. Seine Vision der "Vereinigten Staaten von Europa" - skizziert in seiner Züricher Rede am 19. September 1946 - sollte ein erster Schritt zur Gründung des Europarates sein. Unter diesem Begriff verstand Churchill eine Union aller beitrittswilligen Staaten Europas unter der Führung Frankreichs und Deutschlands. Diese Union sollte jedoch keineswegs die bestehende Staatenordnung des Kontinents ablösen. Vielmehr stellte er sich darunter ein Gebilde vor, in dem alle europäischen Völker in den Genuss von Menschenrechten und Demokratie kommen sollten.

Inzwischen 76-jährig übernahm Churchill 1951 noch einmal für vier Jahre das Amt des Premierministers. Aus dem Krieger war mittlerweile jedoch ein Staatsmann geworden, der klar für eine Versöhnung zwischen Siegern und Besiegten eintrat. 1956 erhielt Churchill daher für seine Verdienste um den Europagedanken auch den Karlspreis der Stadt Aachen. Am 24. Januar 1965 starb Churchill in London.

Kurzinfo: Premierminister von Großbritannien

Der britische Premierminister ist der ranghöchste Minister im Vereinigten Königreich. Er besitzt die Richtlinienkompetenz innerhalb der Regierung, ernennt die Mitglieder seines Kabinetts und koordiniert die Arbeit der Regierung. Der Premierminister wird vom britischen Monarchen ernannt, der gemäß Übereinkunft den Mehrheitsführer im britischen Unterhaus auswählt. 

Zudem kann der Premierminister zwar auch vom Monarchen entlassen werden: In der Praxis geschieht dies aber nur im Falle eines Rücktritts aus persönlichen Gründen, nach einer Wahlniederlage oder bei mangelnder Unterstützung im Parlament. Der führende Politiker der jeweiligen Oppositionspartei ("Führer der loyalen Opposition Ihrer Majestät") gilt in Debatten als direkter Kontrahent des Premierministers und potenzieller Nachfolger. 

Das Amt des Premierministers entspringt dem Amt des Ersten Lords des Schatzamtes; erstmals bekleidet wurde es von Sir Robert Walpole (1721-1742). Amtssitz des britischen Premierministers ist 10 Downing Street.

Frankreich (Quelle: Bild von Miguel Á. Padriñán auf Pixabay)

Verfechter für ein "Europa der Vaterländer"

War Charles de Gaulle ein Gegner Europas? Viel wurde behauptet über seinen vermeintlichen Widerstand gegen den europäischen Integrationsprozess. Allerdings wurde auch das Gegenteil behauptet. Eines gilt jedenfalls als sicher: als de Gaulle 1958 wieder an die Macht kam, gab es große Befürchtungen in Frankreich und bei den europäischen Nachbarn, dass der General die Römischen Verträge wieder in Frage stellen würde. Sie erinnerten sich an seine früheren Stellungnahmen, die nicht gerade europafreundlich gewesen waren.

Unkonventioneller Militärdenker

De Gaulle wurde am 22. November 1890 in Lille geboren. Während seiner Ausbildung an der Kriegsschule von Saint-Cyr zeichnete er sich vor allem durch unkonventionelles militärisches Denken und Selbstbewusstsein aus. Im Ersten Weltkrieg kämpfte de Gaulle als junger Leutnant unter Oberst Philippe Pétain - seinem späteren politischen Gegenspieler - in Verdun. Nach dem Krieg stieg de Gaulle in der militärischen Hierarchie weiter auf. Als Militärschriftsteller machte er sich besonders durch unbequeme Neuerungsvorschläge einen Namen.

Widerstand gegen Hitler

Nach der Kapitulation Frankreichs am 18. Juni 1940 ging de Gaulle - inzwischen Brigadegeneral - ins englische Exil und rief die Franzosen dazu auf, den Widerstand von den Kolonien aus fortzusetzen. Besonders leicht hatte er es jedoch nicht, da er zwar von der Bedeutung seiner Rolle als Symbolfigur des französischen Widerstandes überzeugt war. Allerdings verfügte er nicht über die Macht, um dieser Rolle auch gerecht zu werden. 1944 wurde de Gaulle schließlich Chef der provisorischen Regierung Frankreichs und Ende 1945 vorübergehend auch Staatsoberhaupt. Erst als Frankreich durch die Politik in Algerien 1958 in eine schwere Krise geriet, wurde de Gaulle erneut Staatspräsident. Mit einer neuen Verfassung schuf er die Fünfte Republik, deren Präsident er bis 1969 blieb.

"Wie wollen Sie ein Volk regieren, das 246 Käsesorten besitzt?"

Charles de Gaulle, Staatspräsident von Frankreich (1959-1969) und Kofürst von Andorra (1959-1969)

Politische Weltanschauungen

Während seiner gesamten politischen Laufbahn war de Gaulle der Überzeugung, dass die Rivalität nationaler Interessen und nicht politische Ideologien die internationale Politik geprägt werde. Daher war seine Außenpolitik auch frei von ideologischer Blockdisziplin. Seine Leitlinien waren daher:

  • beide Blöcke abzulehnen;
  • sein Misstrauen gegenüber Überstaatlichkeit und Integrationsprozessen auszudrücken;
  • Frankreich in der internationalen Rangordnung so hoch wie möglich positionieren.

Aus dieser Grundhaltung heraus ist auch de Gaulles Europapolitik zu verstehen. So sollte Europa ein Europa der Staaten bzw. der "Vaterländer" bleiben. Die EWG war für ihn nur eine reine Wirtschaftsgemeinschaft. Die politische Kooperation - wie sie in den Römischen Verträgen festgehalten wurde - durfte daher nicht zu einer Überstaatlichkeit führen. Vielmehr schlug er neue Gremien zwischen den Regierungen vor, wie zum Beispiel ein Gipfel der Regierungschefs alle drei Monate und Ministerkonferenzen.

In diesem Europa der Staaten spielte die Bundesrepublik für de Gaulle eine besondere Rolle. Für ihn war sie neben Frankreich eine Säule des europäischen Hauses. "Im übrigen erfordert die Einheit Europas, dass das deutsche und das französische Volk untereinander sich in rein praktischer Hinsicht über ein gemeinsames Vorgehen geeinigt haben", sagte de Gaulle bereits 1950.

Kurzinfo: Élysée-Vertrag

Der Deutsch-Französische Freundschaftsvertrag - auch Élysée-Vertrag genannt - wurde am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Élysée-Palast von Paris unterzeichnet. Dieser sollte beide Staaten nach jahrhundertelanger "Erbfeindschaft" und verlustreichen Kriegen wieder zusammenführen. Demnach sind beide Regierungen zu Konsultationen in allen wichtigen Fragen der Außen-, Sicherheits-, Jugend- und Kulturpolitik verpflichtet. Zudem wurden regelmäßige Treffen auf Regierungsebene vereinbart.

Der Vertrag trat am 2. Juli 1963 in Kraft. Drei Tage später - am 5. Juli 1963 - wurde zudem das Gründungsabkommen für das Deutsch-Französische Jugendwerk unterzeichnet. In der Folgezeit entstanden zahlreiche Städtepartnerschaften sowie Partnerschaften zwischen Schulen und Vereinen. 1988 Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand einen Rat zur Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik sowie denDeutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat ein.

Für eine kurzzeitige Verstimmung sorgte jedoch eine Präambel, die dem Vertrag von deutscher Seite vor der Ratifizierung hinzugefügt wurde. Darin erklärte die deutsche Seite ihren Willen zur Aufnahme Großbritanniens in die EWG und ihre enge Anbindung an die Vereinigten Staaten von Amerika. Die französische Regierung wollte mit dem Vertrag die Position Europas gegenüber den USA stärken.

Vereint wären beide Staaten in der Lage, auch eine politische Basis zu bauen, auf der alle Völker Europas ihre "Einheit erbauen könnten". Daher gehört es auch zu de Gaulles herausragenden Verdiensten, das deutsch-französische Verhältnis - gemeinsam mit Konrad Adenauer - neu zu gestalten. Nach den Unruhen von 1968 zog er sich jedoch resigniert zurück. Am 9. November 1970 starb de Gaulle in Colombeyles-deux-Églises.

Kurzinfo: Staatspräsident von Frankreich

Der französische Staatspräsident stellt im Vergleich zu anderen parlamentarischen Systemen eine Ausnahme dar: Im Gegensatz zu anderen Präsidenten mit weitgehend repräsentativen Aufgaben verfügt er über weitreichende politische Befugnisse. Seit 1962 wird der französische Staatspräsident jeweils für fünf Jahre direkt vom Volk gewählt. Kandidieren dürfen alle französischen Staatsbürger, die mindestens 23 Jahre alt sind. 

Der Staatspräsident darf die Nationalversammlung auflösen und hat in den Sitzungen des Ministerrates Vorsitz inne. Er ernennt zudem den Premierminister, der allerdings dem Parlament verantwortlich ist. Er kann weitere Beratungen über bereits verabschiedete Gesetze erzwingen und Volksentscheide durchführen lassen. 

Zudem hat der französische Staatspräsident das Recht der Begnadigung sowie den Oberbefehl über die Streitkräfte. Zudem kann der Staatspräsident nur bei Hochverrat oder wegen Verhaltens, das das "offensichtlich unvereinbar mit seiner Amtsausübung" ist, abgewählt werden. Außerdem muss er keine Rechenschaft über sein Budget abgeben. 

Der Staatspräsident von Frankreich ist vom Amts wegen ("ex officio") neben dem Bischof von Urgell auch einer der beiden Ko-Fürsten des Fürstentums Andorra. Im Falle seines Rücktritts oder Todes gehen die Amtsgeschäfte vorübergehend auf den Präsidenten des französischen Senats über.

Quelle: Bild von Miguel Á. Padriñán auf Pixabay

"Ruheloser Mentor Europas"

Im Mai 2005 wurde mit Carlo Azeglio Ciampi der amtierende italienische Staatspräsident mit dem Internationalen Karlspreis ausgezeichnet. Der Politiker habe seine politische Arbeit stets dem europäischen Integrationsfortschritt gewidmet, teilte das Direktorium mit. Der 84-Jährige stehe zudem für die alten Werte und Maßstäbe, die Europa ausmachten, sagte Jürgen Linden, damaliger Oberbürgermeister der Stadt Aachen.

Ciampi sei ein "großer Staatsmann und ruheloser Mentor Europas", der für ein "demokratisches Italien" und das "Europa der Werte" stehe, begründete das Direktorium seine Entscheidung. Der italienische Staatspräsident gelte zudem als einer der Architekten der Europäischen Zentralbank sowie des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Er sei stets davon überzeugt gewesen, "dass sich Europa nicht auf die Währungsunion beschränken darf". Zudem stehe Ciampi als Mittler zwischen den Welten für den Dialog der Zivilisationen - insbesondere auch für eine Zusammenarbeit mit der arabischen Welt. Außerdem sei er ein Verfechter einer europäischen Identität mit politischen, kulturellen und geographischen Grenzen und stehe daher gegen Beliebigkeit.

Politiker mit hohem Ansehen

Ciampi wurde am 9. Dezember 1920 im toskanischen Livorno als Sohn einer Optikerfamilie geboren. Von Jesuiten erzogen, studierte er in Pisa Altphilologie und deutsche Literatur - mit einer Vorliebe für Goethe. Im Jahre 1941 wurde er von den Faschisten als Fahrer in die Armee eingezogen - später schloss sich Ciampi jedoch dem italienischen Widerstand an. Später studierte er Literatur und Philosophie sowie Jura und schloss das Studium mit einer Arbeit über Kirchenrecht ab.

"Das Schicksal eines jeden Volkes ist mit dem Schicksal aller anderen verbunden."

Carlo Azeglio Ciampi, Staatspräsident von Italien (1999-2006) und Ministerpräsident von Italien (1993-1994)

1946 trat er in die Banca D’Italia ein und brachte es über verschiedene Zwischenstationen schließlich 1979 zum Chef der italienischen Notenbank. 1993 übernahm Ciampi das Amt des Ministerpräsidenten von Italien, dass er jedoch nur etwa ein Jahr inne hatte. Seinen Ruf als strenger Finanzpolitiker begründet sich vor allem auf seine Tätigkeit als Haushaltsminister ab 1996 unter dem damaligen Regierungschef Romano Prodi. Ciampi steuerte während dieser Zeit einen rigiden Sparkurs und ebnete Italien damit den Weg in die Europäische Währungsunion.

Welch hohes Ansehen er in der italienischen Politik genießt, zeigt seine Wahl zum Staatspräsidenten im Mai 1999: bereits im ersten Wahlgang erhielt er die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit, nachdem sich alle großen Parteien auf seine Person verständigt hatten. Dabei bot er sogar Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Stirn, als er sich weigerte, eine von der Mitte-Rechts-Koalition beschlossene Justizreform zu unterzeichnen.

Architekt des Stabilitätspaktes und der EZB

Ciampi gilt als einer der Architekten der Europäischen Zentralbank und des europäischen Stabilitätspaktes. Aber auch in Aachen ist er kein Unbekannter. Bereits bei der Verleihung des Karlspreises 2002 an den Euro hatte er die Laudatio auf die gemeinsame europäische Währung gehalten. Dabei appellierte er an alle Beteiligten, den Fortschrittsgedanken nicht aus den Augen zu verlieren. "Es liegt in der Logik des Aufbauprozesses des vereinten Europas, dass jeder Fortschritt weitere erfordert - entweder man schreitet voran oder gefährdet das Erreichte", mahnte Ciampi.

Nach Angaben der Stadtverwaltung Aachen zeigte sich das italienische Staatsoberhaupt hoch erfreut über die Auszeichnung. Damit erfülle er sich einen Jugendtraum, hieß es. Ciampi ist bereits der vierte Italiener, der mit dem Karlspreis ausgezeichnet wird. 2006 verzichtete Ciampi wegen seines hohen Alters auf eine zweite Amtszeit als Staatspräsident. Im gleichen Jahr war er Schirmherr der Olympischen Winterspiele in Turin. Am 16. September 2016 starb er im Alter von 95 Jahren in Rom.

Kurzinfo: Der Staatspräsident von Italien

Der Staatspräsident der Italienischen Republik hat nur beschränkte politische Befugnisse. In der politischen Praxis gilt er als Symbol für die Einheit der Republik Italien, die er auch als Staatsoberhaupt im Ausland vertritt. Der Staatspräsident ist zudem auch Vorsitzender des Obersten Verteidigungsrates und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Solange allerdings keine unmittelbare äußere oder innere Bedrohung für den Bestand der Republik und ihre Verfassungsordnung besteht, ist der Oberbefehl vor allem repräsentativer Natur. Zudem ernennt der Staatspräsident den Ministerpräsidenten und auf dessen Vorschlag die Minister des Landes.

Der italienische Staatspräsident wird für eine Amtszeit von sieben Jahren vom Parlament und von Vertretern der Regionen gewählt. Eine Wiederwahl ist rein rechtlich zumindest möglich. In der politischen Praxis wurden bislang aber nur  Giorgio Napolitano (2006-2015) sowie sein Nachfolger Sergio Mattarella (seit 2015) für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Der offizielle Amtssitz des italienischen Staatspräsidenten ist der Quirinalspalast in Rom.

Das Amt des Staatspräsidenten wurde 1946 geschaffen, nachdem sich eine Mehrheit der italienischen Wahlberechtigen in einem Referendum über die Staatsform des Landes für das Ende des Königreiches Italien und die Gründung der heutigen Republik ausgesprochen hatten. König Umberto II. von Italien (1946) musste daraufhin abdanken und ging ins Exil. Bis zu seinem Tod am 18. März 1983 in Genf blieb er jedoch Oberhaupt des Hauses Savoyen.

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