Tobias Daniel M.A.

Journalismus - PR - Webdesign

"Wie kann man nur so unsouverän sein, Herr Leitermann?

Signal Iduna-Park in Dortmund. (Quelle: Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay)

Eine Aktion auf der Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion zog den Unmut von Signal Iduna-Chef Ulrich Leitermann auf sich. Der Manager wertete die Choreografie als Affront gegen sein Unternehmen und forderte mehr Dankbarkeit von den Fans für die langjährige Unterstützung des Versicherers. Die Folge: Ein Shitstorm, den die Signal Iduna nun unter Kontrolle bringen muss.

Was war geschehen? Seit 1974 ist die Signal Iduna mit dem Bundesligisten Borussia Dortmund verbunden. Erst Anfang März 2022 hatte der Versicherer seine Sponsoring-Vereinbarung mit dem BVB vorzeitig bis zum Jahr 2031 verlängert. Der Vertrag beinhaltet auch die Namensrechte für das Stadion in Dortmund. Für die Signal Iduna ist das Sponsoring nicht nur ein wichtiger Bestandteil der eigenen Marketing-Aktivitäten - es geht auch um handfeste wirtschaftliche Interessen.

"Der BVB muss seine Vermögenswerte bestmöglich vermarkten, ob es sich um das Trikot handelt oder die Namensrechte am Signal Iduna Park. Ohne Investoren und Sponsoren ginge es nicht mehr. Die greifen eventuell tiefer in die Tasche, wenn der Klub seinen Marktwert erhöht. Und dazu gehört zum Beispiel auch die internationale Vermarktung. In der weiten Welt gibt es genau zwei Vereine aus Deutschland, die bekannt sind: die Bayern und uns."

Ulrich Leitermann, CEO der Signal Iduna, im Interview mit den Ruhr Nachrichten

So ist die Signal Iduna nicht nur mit rund sechs Prozent an der KGaA beteiligt: Allein die Namensrechte am Stadion, die sich der Versicherer bis 2031 gesichert hat, lässt sich das Unternehmen laut einem Bericht der Ruhr Nachrichten geschätzt rund 100 Mio. Euro kosten. Bei den Fans des BVB scheint dies allerdings keine Rolle zu spielen: Bei einer Choreografie im Vorfeld des Heimspiels gegen den 1. FC Union Berlin war zu lesen: "Für immer Westfalenstadion".

Quelle: 20TU01 auf Youtube

Eine Aussage, die Leitermann nun offensichtlich ziemlich erzürnt hat: Dabei habe ihm nicht nur die Choreografie selbst ziemliche "Schmerzen" bereitet: "Für mich ist das inakzeptabel, wenn man bedenkt, wie sehr wir diesen Verein seit langer Zeit unterstützen und ihm auch zur Seite standen, als andere keinen Cent mehr geben wollten", betonte der Versicherungsmanager im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.

Daher tue ihm die Choreografie "weh, vor allem, wenn man die Historie kennt. Seit 17 Jahren heißt diese Fußballstätte Signal Iduna-Park. Dem Verein hat es damals extrem genutzt. Ich finde die Choreografien auf der Südtribüne grundsätzlich exorbitant kreativ und sehr beeindruckend. Aber dieses Banner war wenig wertschätzend", begründet Leitermann seine Haltung.

"Gleichzeitig muss der Klub alle anderen, auch unpopulären Erlösquellen zumindest in Erwägung ziehen. Wir können nicht Fußball in Rahmenbedingungen wie vor 20 oder 30 Jahren wünschen und gleichzeitig in der Champions League mitspielen wollen. Das passt nicht zusammen. Das muss allen Beteiligten klar sein, und da gehören auch die Fans dazu. Wir müssen diese wirtschaftlichen Aspekte des modernen Fußballs akzeptieren. Das meint auch, eventuell Investoren zuzulassen in der Bundesliga und auf deren Interessenlagen einzugehen. Wenn man das alles nicht will, darf man hier nicht Champions League erwarten. Da muss man Anspruch und Wirklichkeit zueinander führen. Wir reden beim Profifußball in starkem Maße über eine wirtschaftliche Veranstaltung. Wir finden keinen Spieler, der uns weiterhilft und für die Ehre kickt."

Ulrich Leitermann, CEO der Signal Iduna, im Interview mit den Ruhr Nachrichten

Zudem dürfe man die "mediale Wirkung […] nicht unterschätzen. Das lief sogar in der Tagesschau. Für uns war das ein einziges Ärgernis. Es ist eine Sisyphusarbeit, die wir seit 17 Jahren leisten, und beim Spiel gegen Union Berlin gab es einen heftigen Rückschlag, weil diese Darstellung auch wieder Bilder in den Köpfen der Menschen erzeugt hat. Wir haben Rücksicht auf die Fans damals genommen, ich habe die Farbgebung angesprochen, und ich habe die Erwartungshaltung, dass die Fans jetzt auch Rücksicht nehmen auf uns, die wir den Verein mittragen", erläutert der Versicherungsmanager weiter.

Diese Rücksicht habe der Versicherer laut Leitermann bereits gezeigt: Demnach habe es "selbstverständlich kontroverse Diskussionen" gegeben, "etwa darüber, ob wir die Pylonen am Signal Iduna Park blau anstreichen lassen. Das Gegenteil ist passiert: Wir haben im Stadionlogo auf unsere Unternehmensfarben verzichtet. Wir wollten Rücksicht nehmen auf die Fankultur und haben akzeptiert, dass wir den Signal Iduna Park auch im Logo in Schwarz und Gelb darstellen und nicht mit Blau und Weiß. Wir haben damals also nicht nur finanziell geholfen, wir sind auch über unseren eigenen Schatten gesprungen. Das wird dann schnell vergessen. Für mich zeigt es den gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung. Vor einem Jahr haben wir den Namensrechte-Vertrag zum zweiten Mal langfristig verlängert. Das zeigt unser nachhaltiges Interesse."

"Akzeptiert doch die Verhältnisse, die wir haben! Der Signal Iduna Park heißt bis mindestens 2031 Signal Iduna Park. Da wünsche ich mir einen wertschätzenden Umgang, der beide Interessenlagen berücksichtigt."

Ulrich Leitermann, CEO der Signal Iduna, im Interview mit den Ruhr Nachrichten

Seine Forderung daher an die Fans: "Akzeptiert doch die Verhältnisse, die wir haben." Das Stadion heiße jetzt "bis mindestens 2031 Signal Iduna Park. Da wünsche ich mir einen wertschätzenden Umgang, der beide Interessenlagen berücksichtigt. Der Fußball funktioniert halt nicht mehr wie vor 50 Jahren". Eine Umbenennung in Westfalenstadion für zumindest einen Tag lehnte Leitermann kategorisch ab: Dies "werden wir auf keinen Fall tun. Diese Chance haben sich die Fans genommen, dieser Tag ist verbraucht".

Shitstorm in den sozialen Medien

Bei der Anhängerschaft von Borussia Dortmund sorgte Leitermann damit jedenfalls für erhebliche Missstimmung. Unter dem Hashtag "#Westfalenstadion" erntete er auf Twitter deutliche Kritik an seinen Äußerungen. "Ihr könnt auch noch weitere 17 Jahre Sisyphusarbeit leisten, das Stadion wird trotzdem immer #Westfalenstadion heißen. Und jeder #BVB-Fan tut gut daran, es weiter so zu nennen. Seit 1974 und für immer - Westfalenstadion Dortmund", konstatierte beispielsweise der User "Pa1n09". Ein weiterer Nutzer kommentierte: "Man muss dem Herrn #Leitermann fast schon danken. Keine Choreo der Welt hätte jemals der Bewahrung des Namens Westfalenstadion so eine Reichweite verpasst."

User "Daniel (DM)" sah sich durch das Interview Leitermanns sogar noch zusätzliche Werbung für die Haltung der Fans: "Ulrich Leitermann heute im Interview mit den @RNBVB. Ich brauche diese einmalige Umbenennung gar nicht, denn für mich wird es an jedem Tag das #Westfalenstadion sein. Ich vermute mal, das wird der Versicherungsvertreter am Samstag auch auf dem einen oder anderen Banner lesen." Nutzer "Christoff" kommentierte: "Es ist erstaunlich, wie schlecht dieser Mann und diese Firma kommunikativ in Sachen #Westfalenstadion und Namingright beraten wird. Weit weg von der Realität im Stadion und in der Fanszene. Ein Eigentor mit Anlauf. So kann man sein eigenes Sponsoring auch an die Wand fahren."

"Totales Reizthema 😅 Aber warum müssen gleich Beleidigungen und Beschimpfungen fallen? Das ist doch total daneben. Wir Fans wollen gute Spieler und dafür muss Geld her - da darf dann auch ein Sponsor seine absolut nachvollziehbare Meinung haben für diese Investitionssumme. Viel wichtiger ist, dass die Mannschaft Einsatz zeigt auf dem Rasen und nicht so versemmelt wie in der Stuttgarter Mercedes-Benz Arena vormals Neckarstadion."

User Marcus Bojahr auf Facebook

Ein weiterer Fan schrieb: "Zum Glück sagt niemand mehr Westfalenstadion. Es wäre ja ein Skandal, wenn wir das Westfalenstadion weiterhin Westfalenstadion nennen würden. Das würde dem Westfalenstadion nicht gerecht werden." Ein anderer Anhänger erklärte: "Aus gegebenem Anlass - Danke für die schwungvolle Auffrischung des Themas, Herr Leitermann! #Westfalenstadion seit 1974 und für immer."

Für Facebook-Nutzer "Stas Dick" ist klar: "Stand da 'Nein zu Signal Iduna Park! Nur das Westfalenstadion!'? Man sollte seine Rolle nicht übertreiben. Er mit seiner Firma hat sich mit dieser Aktion selbst ins Rampenlicht gebracht und meiner Meinung auch ins Fadenkreuz so manch radikaler Leute. Niemand hat sich öffentlich so GEGEN Signal Iduna positioniert, wie er es jetzt darstellt." Und "Arantxa Sánchez MaeRcario" ergänzt: "Das nennt sich Marketing und er macht es gut. Artikel im Kicker, Artikel bei 11 Freunde, viele Shares. Er nutzt es perfekt aus. Die Choreo ist ihm doch mächtig wumpe."

Der Fairness halber sollte man allerdings auch erwähnen, dass es auch manch andere Stimme in der Fanszene gab: "Kann mir jemand erklären, warum man das #Westfalenstadion immer noch so nennen muss und einen jahrelangen Sponsor vergrämt? Hab mich immer bei Tweets oder Posts gewundert, wieso ich immer berichtigt werde, wenn ich das Teil Signal-Iduna-Park nenne", schrieb ein User.

Und "LukAs Ort" schrieb auf Facebook: "Süß immer diese Romantiker zu sehen. Wenn ihr Romantik wollt, dann schaut Kreisliga. Was meint ihr eigentlich, wo euer Verein (ich begrenze dies in keinster Weise auf den BVB) stehen würde, wenn es diese Verträge nicht gäbe. Vermutlich nicht in Liga 1 …  Erwartet ihr Gelder von Unternehmen ohne Gegenleistung? Wie naiv kann man denn bitte sein!?"

Twitter-User "Die falsche 9" fragt zudem: "Signal-Iduna-Chef Ulrich Leitermann kritisiert die "Für immer #Westfalenstadion"-Choreografie der Fans von des @BVB - man schätze damit nicht das Engagement des Unternehmens. Doch welche Stadien kommen in ihrem Namen überhaupt noch ohne Sponsor aus?" Sein Argument: In der Saison 2022/23 würden nur noch "24 der 56 Spielstätten ohne einen Sponsor im Namen auskommen. In der Bundesliga haben nur noch Hertha BSC, Union Berlin und Borussia Mönchengladbach keinen Sponsoren im Namen des Stadions."

"Wir können Signal-Iduna-Chef Ulrich Lei­ter­mann da kom­plett ver­stehen: Voll­kommen unan­ge­brachte Choreografie, die die Dort­munder Süd­tri­büne da neu­lich prä­sen­tiert hat. Zu Recht regte sich Lei­ter­mann im Inter­view mit den Ruhr Nach­richten auf, dass dort nicht ​'Für immer Signal Iduna' stand. Er findet die Losung ​'inak­zep­tabel, wenn man bedenkt, wie sehr wir diesen Verein seit langer Zeit unter­stützen.' Diese Choreo habe ihm 'Schmerzen' bereitet. Bleibt nur zu hoffen, dass der Mann gut ver­si­chert ist."

Das Fußballmagazin 11Freunde zur Namensdebatte um das Dortmunder Stadion.

Und User "Florian Schaefer" fragt auf Facebook: "Was spricht eigentlich dagegen, es überall so zu machen wie in Bochum oder Bremen, und den Sponsor einfach dem traditionellen Namen voranzustellen? So verschwinden die alten Namen nicht."

Signal Iduna setzt auf Schadenbegrenzung

Nach der sehr heftigen - und auch deutlichen Kritik - aus der Fanszene, setzt die Signal Iduna nun auf Schadenbegrenzung: "Wir möchten noch mal ganz deutlich machen, dass wir mit der Kritik nicht die Fans treffen wollten. Wir stehen mit den Fans für die gemeinsame Leidenschaft für Borussia Dortmund. Das ist uns ganz wichtig - wir sind füreinander da - seit vielen Jahrzehnten", betont ein Unternehmenssprecher gegenüber VWheute.

"Diese Ehrlichkeit der Menschen, diese Freundlichkeit und Loyalität im Umgang machen das Ruhrgebiet und den BVB aus. Das sind auch Dinge, die ich für mein Unternehmen in Anspruch nehme. Signal Iduna und den BVB verbindet eine gewachsene Beziehung."

Ulrich Leitermann, CEO der Signal Iduna, im Interview mit den Ruhr Nachrichten

"Uns war es wichtig, als langjähriger Sponsor auch mal deutlich zu machen, wenn uns etwas nicht gefällt. Viele unserer Mitarbeitenden sind aktive Fans, sind unglücklich mit der Choreografie. Wir sind im Übrigen mit den Fans in einem ständigen Austausch und werden dieses Miteinander auch in den kommenden Jahren leben. So unterstützen wir seit vielen Jahren verschiedene Faninitiativen, zum Beispiel das BVB-Lernzentrum", heißt es in einer Stellungnahme.

Die Süddeutsche Zeitung kommentierte jedenfalls dazu: "Anfang 2005 stand die Borussia knapp vor der Insolvenz. Hätte die Versicherung damals kein Geld gegeben, wer weiß, vielleicht fehlte dem FC Bayern in der Bundesliga jetzt der ärgste Herausforderer. Kein Geld, keine Bundesliga, keine Fans, keine Debatte um Mammon und Tradition. Signal verstanden!"

Ein weiteres Argument des Kommentators: "In der Champions League und nächstes Jahr bei der Europameisterschaft heißt das Westfalenstadion, pardon, der Signal-Iduna-Park übrigens BVB Stadion Dortmund. In beiden Wettbewerben gilt nämlich die Sponsoren-Hoheit der UEFA-Partner, da sind keine anderen Namen zugelassen. Auch dies könnte Schmerzen auslösen in der Versicherungszentrale."

Allerdings wünscht sich der Kommentator auch mehr Souveränität vom Sponsor: "Nun ist das mit den Traditionalisten aber so eine Sache. Sie verurteilen Kommerzialisierung, bejubeln aber die Tore jener Superstars, die mit teurem Sponsorengeld erkauft wurden. Sie ignorieren in überschwänglichen Champions League-Nächten den ultimativ kommerziellen Anlass. So opportunistisch und polemisch können Fans manchmal sein. Man mag ihnen das zugestehen und dabei souverän bleiben. Auch als Sponsor."

Ob Leitermann - und damit auch die Signal Iduna - die nötige Souveränität dazu haben, dürfte sich wahrscheinlich spätestens beim nächsten Heimspiel des BVB am kommenden Samstag gegen die SG Eintracht Frankfurt zeigen.

Weitere Informationen

 
E-Mail
Anruf
LinkedIn