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Sommermärchen 2.0: Was bleibt von der Euro in Deutschland? 

Fußball-Europameisterschaft in Deutschland (Quelle: Adobe Stock)

Während die nationalen Titelträger und die jeweiligen Gewinner der Europapokal-Wettbewerbe feststehen, wurde vom 14. Juni bis 15. Juli 2024 der neue Europameister ausgespielt. Ob der EM-Gastgeber Deutschland - wie schon 2006 - ein neuerliches Sommermärchen erlebt hat, liegt im Auge des Betrachters.

Gleiches galt für die Frage, wie die deutsche Nationalmannschaft sportlich beim Heimturnier abschneiden und ob der Standort Deutschland auch einen wirtschaftlichen Boost durch das Sportevent erleben würde - ganz zu schweigen von einem internationalen Image-Gewinn wie einst bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006.

Quelle: ZDF Sportstudio auf Youtube

In ökonomischer Hinsicht rechnete die deutsche Wirtschaft laut einer Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) nicht mit wirtschaftlichen Wachstumsimpulsen. Demnach seien "keine relevanten gesamtwirtschaftlichen Effekte zu erwarten", konstatierte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller.

So rechnete das IWH zwar bei der EM mit rund 650.000 Fußballtouristen aus dem Ausland. Allerdings komme es nach Ansicht der Ökonomen gleichzeitig zu Verdrängungseffekten, da andere Touristen in Turnierzeiten oft fern blieben, um etwa hohe Hotelkosten zu vermeiden. Auch einheimische Touristen würden der Wirtschaft kaum helfen, da sie nicht zwangsläufig mehr Geld ausgeben würden.

Quelle: Statista

Fans mussten jedenfalls bei diesem Turnier tief in die Tasche greifen, wenn sie ein Spiel live im Stadion verfolgen wollen. Eine Eintrittskarte für ein Spiel der Gruppenphase kostet je nach Platzkategorie zwischen 30 und 200 Euro. Deutlich teurer dürften hingegen die Tickets für das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland gewesen sein. Wer beim EM-Finale dabei sein will, muss voraussichtlich einen Betrag zwischen 95 und 1.300 Euro blechen.

Ungeachtet der "sportlichen" Preise hat sich die "Tartan Army" - wie die schottischen Fans genannt werden - bereits früh die Sympathien gesichert. Unabhängig vom sportlichen Abschneiden der "Bravehearts" sorgten die Schotten für prächtige Stimmung in den deutschen EM-Städten. Eine zweisprachige Petition deutscher und schottischer Fans fordert nun gar ein jährliches Freundschaftsspiel zwischen beiden Mannschaften.

Quelle: Fanszenen Deutschland auf Youtube

Immerhin sorgte die deutsche Elf gleich im Eröffnungsspiel gegen ein sichtlich überfordertes Schottland gleich für ein Ausrufezeichen sowie einen neuen EM-Rekord: Mit einem deutlichen 5:1-Sieg ging das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann - und sorgte damit für den bislang höchsten Auftaktsieg in der EM-Geschichte. Am Ende der Vorrunde konnte sich die deutsche Elf schließlich vorzeitig für die K.O.-Phase qualifizieren.

    Als Gruppensieger setzte sich die DFB-Elf im Achtelfinale mit einem 2:0-Sieg gegen Dänemark durch. Im Viertelfinale scheiterte die deutsche Mannschaft jedoch nach einer dramatischen Partie in der Verlängerung kurz vor Schluss unglücklich mit 1:2 gegen Spanien. Bundestrainer Nagelsmann gab sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel bereits wieder kämpferisch: "Dass man zwei Jahre warten muss, dass man Weltmeister wird, dass tut weh".

    Quelle: ZDF Sportstudio auf Youtube

    Allerdings sorgte auch der sportliche Außenseiter aus Albanien zum Turnierauftakt für einen neuen Rekord: Bereits 21 Sekunden nach Beginn brachte Nedim Bajrami das Team gegen den Titelverteidiger Italien in Führung. Geholfen hat es den Skipetaren allerdings nicht: Die "Squadra Azzura" ging am Ende mit einem knappen 2:1 als Sieger vom Platz. Im Achtelfinale war für den Titelverteidiger jedoch Endstation: Nach einer schwachen Leistung unterlag die italienische Mannschaft verdient dem Team aus der Schweiz.

    Wenig glänzend präsentierte sich zunächst auch das Team aus England: Mit einer allenfalls durchwachsenen Leistung - und einer gehörigen Portion Glück - qualifizierten sich die "Three Lions" für die jeweils nächste Runde. Massive Kritik gab es aber trotzdem: So wirke der Fußball des englischen Teams träge sowie bisweilen konzept- und planlos. Am Ende wurde das Team von Trainer Gareth Southgate dennoch belohnt. Nach 2021 erreichte das englische Team erneut das Endspiel gegen Spanien.

    Sportliche Überraschung und politischer Schatten

    Die größte sportliche Sensation im Turnierverlauf brachte hingegen Georgien zustande: Als Gruppendritter qualifizierte sich der EM-Neuling nach einem Sieg gegen Portugal gar für die K.O.-Runde. Im Achtelfinale gegen Spanien war für die Mannschaft aus dem Kaukasus jedoch Endstation.

    Für eine Überraschung sorgte indes auch das Team aus Österreich, welches sich als in der "Horrorgruppe D" als Gruppensieger vor den Favoriten Frankreich und Niederlande für das Achtelfinale qualifizieren konnten. Manch geneigter Beobachter sah in der Mannschaft des deutschen Trainers Ralf Rangnick gar schon einen heimlichen Favoriten auf den EM-Titel.

    "Am Jahrestag des Sivas-Massakers so prominent den Wolfsgruß zu zeigen, ist ein absoluter Skandal. Die türkische Nationalmannschaft muss sich öffentlich vom Zeigen des rechtsextremen Symbols distanzieren."

    Kamal Sido, Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)

    Am Ende scheiterte die ÖFB-Elf schließlich im Achtelfinale an der Türkei. Allerdings sorgte der türkische Abwehrspieler Merih Demiral für einen handfesten Skandal, als er direkt nach dem Spiel den sogenannten "Wolfsgruß" - das Symbol der rechtsextremen türkischen "Grauen Wölfe" - zeigte. Die UEFA sperrte ihn daraufhin für zwei Spiele.

    Bei den türkischen Ultras hinterließ die Entscheidung jedoch augenscheinlich keine Wirkung. Vor dem Viertelfinal-Spiel gegen die Niederlande riefen sie die Fans dazu auf, während der Nationalhymne die umstrittene Geste zu zeigen. Aus deren Sicht sei der "Wolfsgruß"  nicht rassistisch zu verstehen, sondern "das nationale Symbol des Türkentums". Sportlich ging am Ende das Team von "Oranje" als Sieger vom Platz.

    Wer waren die Titelfavoriten?

    Kein großes Fußballturnier ohne Orakel auf den Sieger: So sah der Supercomputer "BETSiE" im Vorfeld das schwächelnde Team aus England als neuen Europameister. "Der Algorithmus simuliert das Turnier 100.000-Mal, basierend auf Toren und Gegentoren, abgegebenen und erhaltenen Schüssen, sowie jenen aufs Tor. Des Weiteren bezieht 'BETSiE' auch den xG-Wert heran. Dabei werden alle bisherigen Spielergebnisse der Saison über alle Wettbewerbe berücksichtigt", wurde die Online-Plattform Wettbasis.com in der Frankfurter Rundschau (FR) zitiert. 

    Laut den Berechnungen würden Deutschland, Frankreich und Portugal mit deutlichem Abstand auf den Plätzen zwei bis vier folgen. So liege die Titelwahrscheinlichkeit für England bei 26,29 Prozent. Für die nächsten drei Mannschaften liege diese jeweils bei knapp über 13 Prozent. Ob sich diese Prognose mit den anderen EM-Orakeln - von Tapir "Theo", Pony "Alma", Hund "Julian" oder der Elefantenkuh "Baby" - deckt, ist nicht bekannt. Am Ende lag "BETSiE" dann aber doch knapp daneben. 

    Fußball-Fans feiern ihre eigene Party

    Europameisterlich zeigten sich jedenfalls die Anhänger der EM-Mannschaften. Ob Autokorsos, deutsche Saxophons, schottische Dudelsäcke oder tanzende Niederländer - die europäischen Fans verwandelten die Land in ein Fan-Fest, das bereits früh einen Sommermärchen-Charakter hatte. Laut einer Umfrage von MDRgefragt zeigte sich eine Mehrheit von der Debatte darüber aber einfach nur genervt. Deutlich positiver würde zwar das Zeugnis für den EM-Gastgeber ausfallen, allerdings würden einige Befragte in manchen Bereichen noch einen gewissen Verbesserungsbedarf sehen.

    Quelle: ZDFheute auf Youtube

    Doch welche Bedeutung haben diese Turniere bei den Fans? Gerade für aktive Spieler haben die Europa- und Weltmeisterschaften eine große Bedeutung. Aufgrund des Vier-Jahres-Rhythmus haben die Profisportler daher nur wenige Chancen, bei einem großen Turnier dabei sein zu können. Laut einer Umfrage im Rahmen des Statista European Football Benchmark 2023 haben die Fans jedoch eine andere Haltung.

    Quelle: Statista

    Quelle: Statista

    Besonders in Deutschland scheinen eine Europameisterschaft oder eine Weltmeisterschaft keinen großen Stellenwert zu haben. Nur etwa ein Drittel der Befragten findet diese Turniere wichtiger als die nationalen Ligawettbewerbe. Ähnlich hoch war der Anteil der Befragten in Großbritannien (35 Prozent). Besonders viel Gewicht haben Länderspiele hingegen in China - rund 74 Prozent der dort befragten Fußballinteressierten finden die Turniere der Nationalelf wichtiger als Spiele auf Klubebene. Der momentanen Euphorie machte dies jedenfalls keinen Abbruch.

    Quelle: Statista

    Quelle: Statista 

    Finanziell ist das Turnier jedenfalls ein Riesenerfolg für die UEFA. Rund 2,4 Milliarden Euro wird der europäische Fußballverband voraussichtlich einnehmen. Davon entfallen allein etwa 1,45 Milliarden Euro auf die Übertragungsgsrechte. Weitere rund 500 Millionen Euro entfallen auf kommerzielle Rechte und Sponsoring. 

    Auch sportlich verzeichnete das Turnier einige Rekorde: Neben den beiden bislang schnellsten Toren in der EM-Geschichte war Lamil Jamal mit 16 Jahren und 338 Tagen der jüngste Spieler, welcher jemals bei einer Europameisterschaft zum Einsatz kam, ein Tor erzielen und sogar das Finale erreichen konnte. Ältester Spieler in der EM-Geschichte wurde Pepe mit 41 Jahren und 113 Tagen. 

    Für einen weiteren Rekord sorgte der portugiesischen Superstar Cristiano Ronaldo mit seiner sechsten Teilnahme bei einer Europameisterschaft. Mit 30 Spielen bei einer EM hält er ebenfalls den Rekord. Ebenfalls ein Rekord: Mit insgesamt 20 Einsätzen ist Manuel Neuer nun der Torhüter mit den meisten Spielen bei einer EM.

    Und last but not least: Im Finale von Berlin holte Spanien gegen England den vierten EM-Titel und ist damit alleiniger Rekordeuropameister.

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    Veröffentlicht am 14.06.2024
     
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