Tobias Daniel M.A.

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"Diverse Teams sind erfolgreicher als homogene Teams"

Laura Gersch (Quelle: Allianz)

Seit Jahresbeginn 2020 verantwortet Laura Gersch bei der Allianz Leben das Ressort "Firmenkunden". Zuvor arbeitete sie eng mit dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Bäte zusammen und - wie könnte es anders sein - war zuvor bei McKinsey. Im Exklusiv-Interview mit VWheute sprach Gersch über ihre Ziele und Pläne in Zeiten von Corona - und warum diverse Teams erfolgreicher sind.

VWheute: Sie sind seit Januar 2020 "in Amt und Würden": Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen und wie sehen Ihre perspektivischen Ziele als Firmenvorstand der Allianz aus?

Laura Gersch; Ich hatte einen hervorragenden Start, der aber schon durch eine enge Zusammenarbeit im letzten Jahr geprägt wurde zumal ich durch meine bisherigen Funktionen schon einen sehr klaren Blick auf die Allianz Leben mitgebracht habe. Natürlich waren die ersten Monate sehr stark durch die Corona-Pandemie geprägt, die uns alle begleitet hat.
Dies beschäftigt uns natürlich auch in der Allianz sehr stark. So haben wir uns bereits im März schon unsere Kapitalanlagen angeschaut mit einer klaren Botschaft an unsere Kunden, dass sie sich auf die Vorsorge bei der Allianz verlassen können. Ansonsten war diese Situation natürlich sehr prägend, vor allem zu Beginn einer neuen Position.

Das Gute, was wir in dieser Situation gelernt haben, ist die Erkenntnis, dass das Sicherungsvermögen unser Herzstück in der Lebensversicherung ist. Mit diesem stabilisierenden Element können wir natürlich auch die Schwankungen am Kapitalmarkt entsprechend ausgleichen.

Eine weitere Erfahrung: Bislang war mir noch nicht bewusst, dass wir so schnell etwa 80 bis 90 Prozent der Kollegen sowohl im Innendienst wie im Außendienst im Homeoffice arbeiten werden. Dies ist natürlich eine Situation, die so nicht vorhersehbar war. Das ist auch eine sehr prägende Erfahrung, wie man im Team zusammenarbeitet. In den Monaten vor Corona war es mir zudem wichtig, die ersten Kontakte zu unseren Kunden zu knüpfen.

Meine Schwerpunkte für meine Arbeit liegen vor allem im Purpose "We secure your future", was für die Allianz so etwas wie eine Daseinsberechtigung darstellt. Dies ist insbesondere bei der Allianz Leben ein Kern, der mich auch persönlich antreibt. Und das ist auch der Grund, warum ich in die Versicherungsbranche gegangen bin, weil es sich dabei auch um ein langfristiges Geschäftsmodell handelt.

Schwerpunktmäßig geht es mir vor allem darum, die betriebliche Altersvorsorge in der Breite. Hier hat die Allianz schon eine starke Position sowie ein hohes Vertrauen bei den Kunden erarbeitet. Dies gilt es aber jeden Tag auf's neue zu gewinnen und noch weiter auszubauen.
Zweitens ist mir wichtig, dass wir den Weg zur Altersversorgung noch planbarer machen. Das ist vor allem der Aspekt der Daseinsvorsorge wichtig. Dabei geht es mir vor allem darum, wie man den Weg zur Rente noch besser absichern kann. Hier haben wir das Angebot noch weiter ausgebaut. Dies ist auch perspektivisch noch ein Feld, auf dem ich mir noch weitere Ausbaustufen vorstellen kann.

Ein dritter Punkt ist für mich, die Altersvorsorge noch digitaler zu machen. So haben wir schon ein Online-Tool entwickelt, was schon sehr stark am Markt genutzt wird, was sowohl für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber ein echter Vorteil ist. Hier arbeiten wir daran, diese Plattform noch weiter auszubauen. Und ich bin mir sicher, dass dies aufgrund der aktuellen Situation nochmal zusätzlichen Schwung bringt.

VWheute: Wie hat sich die Corona-Krise bislang auf das Alltagsgeschäft der Allianz ausgewirkt und welche Folgen sehen Sie perspektivisch auf das Firmengeschäft? Zudem sehen Marktbeobachter die Krise als "digitalen Brandbeschleuniger": wie ist Ihre Einschätzung?

Laura Gersch: Jeder weiß, dass es einen Einfluss auf die Firmenkunden haben wird, da alle Unternehmen in irgendeiner Form von Corona betroffen sind. Ich glaube, dass es je nach Industrie sehr stark variiert, da gibt es große Unterschiede. Uns ist es wichtig, dass wir den Kunden auch in dieser Zeit zur Seite stehen. Auch wenn es dazu kommt, dass sie vorübergehend Beiträge nicht zahlen können.

Deswegen haben wir schon im März unsere Kulanzregeln ausgeweitet. So können Stundungen nun ohne Grund und formlos bis zu sechs Monaten - anstatt bislang drei Monaten - gewährt werden. Dies gilt im Privatkunden- wie im Firmengeschäft. Auch bei der Biometrie gibt es entsprechende Kulanzregelungen. Diese Regelung war ursprünglich bis zum 30. Juni befristet und wurde nun nochmal bis Ende September ausgeweitet. Insofern sind wir auch für die Kunden da, bei denen es stärkere Einflüsse durch die Corona-Krise gibt und finden dann eine Lösung.

Zur zweiten Frage: Dies würde ich definitiv so sehen. Wir arbeiten bereits seit Jahren sehr ernsthaft an diesem Thema. Diese Krise hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass einige Bereiche bereits digital arbeiten und wie gut es dabei läuft.

Gerade im Vertrieb im Firmenkundengeschäft finden Beratungsgespräche nun teilweise digital statt. Natürlich fehlt hier und da sicherlich das persönliche Gespräch, das auch weiterhin wichtig sein wird. Allerdings wurden die digitalen Kanäle durch die Krise stärker genutzt und werden wohl auch in Zukunft noch stärker genutzt werden.

VWheute: Allianz-Chef Oliver Bäte hat die Digitalisierung ja als neuen Benchmark für das Unternehmen nutzen wollen. Gibt es denn konkrete Vorhaben, wie Sie diesen Trend nun stärker nutzen wollen?

Laura Gersch: Es gab schon in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Themen, die wir in Gang gesetzt haben. Und ich glaube, dass diese durch die aktuelle Situation einen neuen Schwung bekommen haben. So haben wir alleine in meinem Bereich Firmen online bereits vor einigen Jahren eine neue Plattform ausgehoben. So sind wir bereits mit Hochdruck daran, das Angebot sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer weiter auszubauen. Dass es jetzt neue Themen gibt, sehe ich aber nicht, da wir bereits im Vorfeld sehr stark daran gearbeitet haben.

VWheute: Kommen wir zur Lebensversicherung: Wie bewerten Sie aktuell die Entwicklungen auf dem Lebensversicherungsmarkt?

Laura Gersch: Erst einmal kann ich sagen, dass wir im letzten Jahr stark gewachsen sind. Deswegen würde ich sagen, die Nachfrage spricht für sich. Das heißt: Es gibt nach wie vor den Bedarf an Altersvorsorge. Wir scheinen dabei auf dem Markt auch so wahrgenommen zu werden, dass man das Geld dafür gerne bei uns anlegt.

So haben wir bereits vor Jahren damit begonnen, unsere Produkte kontinuierlich den veränderten Bedingungen am Markt anzupassen. Hier haben wir schon vor Jahren die richtigen Weichen gestellt. Deswegen ist die Nachfrage bei uns nach wie vor hoch.

Nichtsdestotrotz befindet sich der Markt derzeit in einem herausfordernden Umfeld. So hat die Niedrigzins- oder Nullzins-Situation natürlich eine Auswirkung auf die Lebensversicherung. Auf der anderen Seite überlegt aber auch jeder für sich, wie man die private Altersvorsorge für organisiert. Aus meiner Sicht gilt jedenfalls nach wie vor, dass es weiterhin alle drei Säulen braucht. Und da sind wir auf dem Markt gut aufgestellt.

VWheute: Nun liegt der Garantiezins derzeit noch bei 0,9 Prozent und soll nach Ansicht der DAV 2021 auf 0,5 Prozent gesenkt werden? Wie wollen Sie dennoch eine Lebensversicherung Ihren Kunden verkaufen?

Laura Gersch: Wir gehen derzeit weiterhin von einem Garantiezins von 0,9 Prozent aus. Wenn ich mit den Kunden spreche, ist immer die Frage: Was ist denn die Vergleichsmöglichkeit? Was ist die alternative Anlage, bei man bei vergleichbarer Sicherheit und Stabilität eine entsprechende Rendite bekommt? Und jetzt wissen wir auch, dass diese 0,9 Prozent der Höchstrechnungszins sind. Wenn man jetzt auf unsere Deklaration schaut und was wir unseren Kunden tatsächlich zahlen, ist das natürlich deutlich mehr. Allein in diesem Jahr liegt die Deklaration bei 3,4 Prozent. Insofern: Es gibt derzeit nicht so viele Alternativen, ein vergleichbares Produkt mit soviel Sicherheit zu bekommen. So glaube ich, dass es auch weiterhin eine entsprechende Nachfrage danach geben wird.

"Für mich zentral ist der Punkt, dass diverse Teams erfolgreicher sind; das Verständnis dafür muss geschärft werden, damit sich noch mehr ändert."

Laura Gersch, Vorständin Firmenkunden und Personal bei der Allianz Lebensversicherung

VWheute: Markbeobachter rechnen derzeit mit einem starken Anstieg des Run-off-Marktes: Wie bewerten Sie diese Einschätzung?

Laura Gersch: Wie wir bereits früher schon gesagt haben, steht der Verkauf von deutschen Beständen der Allianz nicht zur Diskussion. Hier zahlt sich aus, dass wir bereits vor mehr als zehn Jahren begonnen haben, neue Produkte mit neuen Garantiekonzepten zu entwickeln, die sowohl die Interessen unserer Kunden in einem Niedrig- oder Nullzinsumfeld aufgreifen als auch die kollektive Risikotragfähigkeit zu stärken. Dies steht für uns natürlich über allem. Das heißt: Unsere Kunden können sich auf uns verlassen.

Nun gibt es andere Marktteilnehmer, die für sich zu anderen Schlüssen kommen können. Ganz abstrakt formuliert: Hier kann es auch Konsolidierungsplattformen geben, die - wenn sie richtig betrieben sind - für diese Kunden auch gut sein können und einen Mehrwert bieten.

VWheute: Stichwort bAV: Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung in der bAV?

Laura Gersch: Wir spüren auch in diesem Feld nach wie vor eine hohe Nachfrage. Gerade umso mehr ist die bAV für Unternehmen ein erheblicher Mehrwert. Denn wir merken alle, wie schwierig es ist, gute Mitarbeiter zu finden und auch langfristig an ein Unternehmen zu binden. Da ist das Gehalt allein nicht mehr ausreichend. Daher ist die bAV natürlich für diese Mitarbeiterbindung von Vorteil. Und dafür brauchen die Unternehmen einen starken Partner mit innovativen Produkten, wo ich uns ganz weit vorne sehe.

Bei den Entwicklungen im bAV-Markt gilt zudem vieles, was ich zur Lebensversicherung auch gesagt habe. Persönlich sehe ich da auch ähnliche Schwerpunkte. Beim Thema Einkommensabsicherung in der betrieblichen Altersvorsorge haben aus meiner Sicht allerdings noch etwas Raum, wo wir das Angebot noch stärken und noch mehr mit den Firmen entsprechend entwickeln können. Auch das ist noch ein zusätzliches Angebot, welches die Unternehmen ihren Mitarbeitern geben können. Gerade bei Unternehmen mit vielen körperlichen Tätigkeiten merken wir, dass es hier noch Raum für entsprechende Angebote gibt.

Ansonsten sehen wir auf dem Markt die Entwicklung, dass das Thema Digitalisierung – gerade mit Blick auf Prozesse und Services - sehr wichtig ist. So ist die bAV bei den Angeboten und den Durchführungswegen noch immer sehr komplex. Daher ist die Hilfe mit technischen und digitalen Angeboten ein Thema, was auch andere Marktteilnehmer beschäftigt.

VWheute: Gerade KMU setzen dabei kaum auf bAV-Lösungen: Wie lässt sich dieser Entwicklung entgegen wirken?

Laura Gersch: Zu unseren Firmenkunden zählen alle Arten von Unternehmen - von ganz kleinen Firmen bis hin zu ganz großen Konzernen. Insbesondere die kleineren Unternehmen brauchen einen Partner an der Seite, mit dem sie dieses Modell umsetzen können. Dabei stehen vor allem unsere Vertriebe mit den Personalverantwortlichen im Gespräch, um genau dafür eine passende Lösung zu finden.

Zudem brauchen solche Unternehmen auch eine Gesamtlösung, bei der wir die Produkte noch ergänzen können durch entsprechende Services. Daher sehe ich diese für uns noch immer als eine Art Komplettangebot, was wir gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen anbieten können.

VWheute: Das Sozialpartnermodell in der bAV findet derzeit nur einen geringen Anklang: Worin sehen Sie die Ursachen für die geringe Akzeptanz und was ist verbesserungswürdig?

Laura Gersch: Erst einmal gilt festzuhalten, dass das Sozialpartnermodell Teil eines breiten gesetzlichen Rahmens ist, den das BRSG auch weiterentwickelt hat. Daher kommt es jetzt nicht darauf an, wie schnell ein solches Modell in die Praxis umgesetzt wird, sondern dass es ein Teil des Angebotes ist, um die bAV auf breitere Beine zu stellen und noch mehr Menschen zu erreichen. Dies war ja auch das Ziel des Sozialpartnermodells.

Gerade für ein solche Modell braucht es ja alle Partner, um es auch zu etablieren. Und das benötigt natürlich Zeit. Wenn es die Nachfrage gibt, stehen wir dafür bereit. Allerdings sind jetzt erst einmal die Sozialpartner am Zug, hier in Vorleistung zu gehen.

VWheute: Mit 35 Jahren sind Sie derzeit eine jüngsten Versicherungsmanagerinnen Deutschland. Dennoch ist die Frauenquote in Deutschlands Führungsetagen noch immer recht niedrig. Worin sehen Sie die Gründe für diese Entwicklung und was müsste sich - in besondere in der Versicherungsbranche - ändern?

Laura Gersch: Aus meiner Sicht müssen wir wertschätzen, was bislang schon erreicht haben. Wir sollten nicht vergessen, dass wir schon mehr Frauen in Führungspositionen als je zuvor. Aber es liegt natürlich noch ein Weg vor uns: Daher ist es wichtig, sich immer zu vergegenwärtigen, dass diverse Teams immer erfolgreicher sind als homogene Teams.

Und da sich diverse CEO’s ja gerne auch mit dem Thema "Erfolg eines Unternehmens" beschäftigen, ist dies sicherlich ein Hebel, sollte man diesen auch nutzen. Das ist jetzt mal rein der Business Case. Zudem sind 50 Prozent unserer Kunden auch Frauen. Daher macht es auch allen Sinn der Welt, dass Frauen auch auf allen Ebenen mitentscheiden, was das Beste ist für den Kunden, wie die Produkte aussehen und wie wir mit den Kunden interagieren.

Ein dritter Punkt ist, dass 50 Prozent der Absolventen von Universitäten oder Ausbildung allgemein Frauen sind. Wenn wir alle davon reden, dass wir in Führungspositionen ein Nachwuchsproblem haben, sollten wir nicht 50 Prozent dieses Pools ausschließen, wenn es um Führungspositionen geht.

Daher müssen Unternehmen sicherstellen, dass man diversere Teams hat. Für die Allianz kann ich sagen, dass sich dies immer stärker durchsetzt. Insgesamt ist es für Deutschland natürlich wichtig, entsprechende Ziele vorzugeben, weil sie uns ein Stück dazu bringen, sich immer wieder mit diesem Thema zu beschäftigen.

Zudem müssen aber auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Frauen auch wirklich in Führung kommen können und auch in Führung zu gehen. Dafür braucht es in der Tat aber auch Vorbilder, dass man eben auch sieht, es geht.

Ich sage meinen Sohn bereits, dass wir in Deutschland eine Chefin haben. Und das funktioniert. Daher braucht es entsprechende Vorbilder, um auch junge Frauen zu ermutigen, sich keine Grenzen zu setzen. Gleichzeitig gehört es auch dazu, dass man die Entscheidungsträger dazu zwingt, die Frauen bei der Besetzung von Positionen zu berücksichtigen, wenn sie so weit sind und die entsprechenden Voraussetzungen dazu erfüllen.

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